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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel
Autoren: Colleen McCoullough
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Mitglied der Familie durfte bei »weiblichen« Aufgaben auch nur helfen. Doch Abend für Abend tat Frank eben dies, wenn Paddy zu Bett gegangen war: Er half seiner Mutter, und sie ermunterte und ermutigte ihn dazu, indem sie mit dem Geschirrspülen wartete, bis sie beide den dumpfen Aufprall von Paddys Latschen auf den Fußboden gehört hatten. Noch nie war Paddy danach in die Küche zurückgekommen. Fee blickte Frank liebevoll an. »Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde, Frank. Dabei ist das gar nicht gut für dich. Du wirst morgen früh sehr müde sein.«
    »Ist schon in Ordnung, Mum. So ein bißchen Geschirrabtrocknen bringt mich nicht um. Ist wenig genug, um dir das Leben etwas leichter zu machen.«
    »Das gehört nun mal mit zu meiner Arbeit, Frank. Macht mir auch nichts weiter aus.«
    »Ich wünschte nur, wir würden irgendwann mal reich werden, damit du ein Dienstmädchen haben könntest.«
    »Das ist Wunschdenken!« Sie wischte ihre seifigen, roten Hände am Geschirrtuch ab und stemmte sie dann in die Hüften, seufzend. Aufmerksam betrachtete sie ihren Sohn, und in ihren Augen zeigten sich, undeutlich noch, Sorge und Unruhe: Sie spürte seine bittere Unzufriedenheit, die stärker und verzehrender zu sein schien als das übliche Aufbegehren eines Arbeiters gegen sein Los. »Frank, hab bloß keine großen Rosinen im Kopf. Denn das führt zu nichts Gutem. Wir gehören nun einmal zur arbeitenden Klasse. Und das bedeutet, daß wir nicht reich werden und uns auch keine Dienstmädchen leisten können. Sei zufrieden mit dem, was du bist und was du hast. Wenn du so etwas sagst, dann beleidigst du Daddy, und das hat er nicht verdient. Das weißt du. Er trinkt nicht, er spielt nicht, und er arbeitet furchtbar hart für uns. Kein Penny, den er verdient, wandert in seine Tasche. Alles kommt uns zugute.«
    Die muskulösen Schultern spannten sich ungeduldig, das dunkle Gesicht wirkte hart und grimmig. »Aber was ist denn so Schlechtes daran, wenn man sich vom Leben mehr wünscht als nur Plackerei? Und was ist so verkehrt, wenn ich meine, es wäre gut, wenn du ein Dienstmädchen hättest?« »Es ist nicht richtig, weil es nicht sein kann! Du weißt, daß kein Geld da ist, um dich auf der Schule zu lassen, und wenn du nicht auf der Schule bleiben kannst, wie soll dann je mehr aus dir werden als ein Mann, der sich mit seiner Hände Arbeit sein Brot verdienen muß?
    Dein Akzent, deine Kleidung und deine Hände beweisen, daß du dich durch körperliche Arbeit ernähren mußt. Aber es ist ja keine Schande, Schwielen an den Händen zu haben. Genau wie Daddy sagt - wenn ein Mann schwielige Hände hat, weißt du, daß er ein ehrlicher Kerl ist.«
    Frank zuckte die Schultern und schwieg. Das Geschirr wurde fortgeräumt. Fee holte ihren Nähkorb hervor und setzte sich auf Paddys Stuhl beim Feuer. Frank arbeitete an der Puppe weiter.
    »Arme kleine Meggie!« sagte er plötzlich.
    »Warum?«
    »Als diese kleinen Schlingel heute an ihrem Püppchen herumzerrten, stand sie weinend da, und - ihre ganze Welt schien in Scherben zu liegen.« Er blickte auf die Puppe, deren Haar wieder an Ort und Stelle saß. »Agnes! Wo, um Himmels willen, hat sie solch einen Namen her?«
    »Sie muß gehört haben, wie ich von Agnes Fortescue-Smythe sprach - nehme ich jedenfalls an.«
    »Als ich ihr die Puppe zurückgab, sah sie ihr in den Kopf und starb fast vor Angst. Irgendwas an den Augen erschreckte sie, aber was, weiß ich auch nicht.«
    »Meggie sieht immer Dinge, die es gar nicht gibt.«
    »Es ist ein Jammer, daß nicht genug Geld da ist, um die Kleinen auf der Schule zu lassen. Sie sind so gescheit.«
    »Oh, Frank! Wenn Wünsche Pferde wären, könnten Bettler vielleicht reiten«, sagte seine Mutter müde. Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen. Ihre Finger zitterten leicht. Sie stach die Stopfnadel tief in ein Knäuel grauer Wolle. »Ich kann nicht mehr. Ich bin zu müde, um noch richtig zu sehen.«
    »Geh zu Bett, Mum. Ich werde die Lampen ausblasen.«
    »Sobald ich das Feuer geschürt habe.«
    »Das mach’ ich schon.« Er stand auf und setzte die zierliche Puppe auf die Küchenanrichte hinter ein Kuchenblech - dieses gleichsam als Schutzschild benutzend. Doch im Grunde war er nicht im mindesten darüber besorgt, daß sich die Jungen ein zweites Mal an Agnes vergreifen würden. Sie fürchteten seine Vergeltung mehr als eine Bestrafung durch ihren Vater. Irgendwie haftete ihm etwas Gewalttätiges an. War er mit seiner Mutter oder seiner
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