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Die Doppelgaengerin

Die Doppelgaengerin

Titel: Die Doppelgaengerin
Autoren: Linda Howard
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musterte. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Dies war eindeutig nicht der Moment, mich in Gedanken auszuziehen, oder?
    »Madam«, sagte er höflich, »möchten Sie sich vielleicht hinsetzen?«
    »Ja, gern«, antwortete ich genauso höflich und setzte mich in einen der Besuchersessel. Ich hätte zu gern gewusst, was sich draußen abspielte. Wie lange konnte das noch dauern?
    Nach ein paar Minuten trafen noch mehr Streifenwagen mit blitzendem Blaulicht ein. Auf meinem Parkplatz sah es aus wie auf einem Bullenkongress. Herrgott noch mal, reichten keine vier Polizisten aus, um mit Nicole fertig zu werden? Mussten sie allen Ernstes Verstärkung holen? Sie musste noch durchgeknallter sein, als ich geglaubt hatte. Ich habe gehört, wenn jemand durchknallt, entwickelt er übermenschliche Kräfte. Und Nicole war eindeutig durchgeknallt. Im Geist sah ich sie Polizisten durch die Luft wirbeln, während sie langsam auf mich zukam. Ich spielte mit dem Gedanken, mich in meinem Büro zu verbarrikadieren.
    Officer Vyskosigh sah nicht so aus, als würde er zulassen, dass ich mich irgendwo verbarrikadierte. Ganz im Gegenteil, ich hatte immer mehr den Eindruck, dass Officer Vyskosigh mich nicht beschützte – wie ich anfangs angenommen hatte –, sondern mich viel mehr bewachte. Als wollte er dafür sorgen, dass ich nichts … unternahm.
    O Mann.
    Verschiedenste Szenarien schossen mir durch den Kopf. Wenn er hier war, um zu verhindern, dass ich etwas unternahm, stellte sich natürlich die Frage, was ich nicht unternehmen sollte. Pinkeln gehen? Meine Akten sortieren? Beides war schwer angesagt, darum stand beides ganz oben auf meiner gedanklichen Liste, aber ich bezweifelte, dass sich die Polizei dafür interessierte. Zumindest hoffte ich, dass sich Officer Vyskosigh nicht dafür interessierte, vor allem nicht für den ersten Punkt.
    Weil ich diesen Gedanken lieber nicht weiter verfolgen wollte, lenkte ich meine Gedanken brutal zurück in die Spur.
    Sie machten sich auch keine Sorgen, dass ich unerwartet durchdrehen, auf den Parkplatz rennen und über Nicole herfallen könnte, ohne dass sie mich daran hindern konnten. Ich neige nicht zur Gewalt, solange man mich nicht extrem provoziert; und vor allem hätten sie, wenn auch nur einer von ihnen einmal aufmerksam hingesehen hätte, bemerken müssen, dass ich frisch lackierte Fingernägel hatte – und zwar in Iced Poppy, Mohnrot mit Glittereffekt, meiner neuesten Lieblingsfarbe. Meine Hände sahen ausgesprochen hübsch aus, wenn ich mal so sagen darf. Nicole war mir definitiv keinen abgebrochenen Nagel wert, darum hatte sie ganz offensichtlich nichts von mir zu befürchten.
    Inzwischen ist wohl klar, dass ich geistig endlose Pirouetten drehen kann, wenn ich über etwas nicht nachdenken will.
    Und ich wollte auf gar keinen Fall darüber nachdenken, warum Officer Vyskosigh mich bewachte. Auf gar, gar keinen Fall.
    Leider sind manche Dinge einfach zu wichtig, als dass man sie ewig ignorieren könnte, und die Wahrheit schnitt blutig durch meinen mentalen Mambo. Der Schreck traf mich wie ein Hammerschlag; ich wurde wirklich in meinem Sessel zurückgeschleudert.
    »O Gott. Der Schuss wurde gar nicht auf mich abgefeuert, stimmt’s?«, blökte ich heraus. »Nicole – der Mann hat auf sie geschossen, stimmt’s? Er hat auf sie geschossen und …« sie getroffen, wollte ich noch sagen, aber im selben Moment blubberte es heiß und ätzend in meiner Kehle hoch, und ich musste mit aller Kraft schlucken. In meinen Ohren begann es zu schrillen, und ich begriff, dass ich gleich etwas sehr Undamenhaftes tun würde, wie aus dem Sessel auf mein Gesicht zu plumpsen, weshalb ich mich eilig vorbeugte, den Kopf zwischen die Knie nahm und mehrmals tief durchatmete.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Officer Vyskosigh, soweit ich ihn über dem Gellen in meinen Ohren verstehen konnte. Ich schwenkte die Hand, um anzuzeigen, dass ich nicht in Ohnmacht gefallen war, und konzentrierte mich weiter aufs Atmen. Ein, aus. Ein, aus. Ich versuchte mir einfach einzureden, ich wäre im Yoga-Unterricht.
    Das Schrillen in meinen Ohren wurde allmählich leiser. Ich hörte, wie die Vordertür aufging und mehrere Leute hereinkamen.
    »Ist sie okay?«, fragte jemand.
    Ich hob wieder die Hand. »Gleich«, brachte ich heraus, wobei ich allerdings den Boden ansprach. Nach weiteren dreißig Sekunden kontrollierter Atmung hatte ich die Übelkeit zurückgekämpft und setzte mich vorsichtig auf.
    Die Neuankömmlinge, zwei
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