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Die Dilettanten

Titel: Die Dilettanten
Autoren: Thomas Wieczorek
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Rentenanpassung. Sie wollen wieder echte Sozialdemokraten sein. Sozialdemokraten wie in den 70er-Jahren. Sozialdemokraten wie in der Partei Die Linke.« 25
    Deshalb macht Franz Walter der SPD für den Umgang mit der Linkspartei einen konsequenten Vorschlag: Statt sich ständig in Widersprüche und Zerreißproben zwischen neo liberalemund sozialem Anspruch zu verwickeln, solle sie sich als »moderne Agentur ressourcenstarker neuer Eliten in der modernen Wissensgesellschaft« verkaufen. »Für die Apologeten der überlieferten Wohlfahrtsstaatlichkeit und für die Kritiker des globalisierten Neokapitalismus wäre dann allein die Lafontaine-Gysi-Partei zuständig.« 26 Eine solche Partei wäre, wenn die Sozialdemokraten endlich den Mythos der »Einheit der allein sozialdemokratisch legitimierten Arbeiterbewegung« aufgäben, »eine Entlastung für einen Modernisierungskurs der ›Neuen Mitte‹. Man wäre dann nicht mehr Volkspartei. Aber darauf kommt es in einem Vielparteiensystem machtpolitisch auch nicht mehr an.« 27
    Wenn nur nicht mit der Wirtschaftskrise das gesamte neoliberale Konzept gescheitert wäre! Heute traut sich kaum noch ein SPD-Oberer, die Sozialstaatsanhänger als »ewig gestrige Weicheier« zu beschimpfen. Von daher war das Kaltstellen von Kurt Beck zumindest unglückliches Timing: Nicht dass der glücklose Pfälzer ein Sozialdemokrat im eigentlichen Sinne gewesen wäre – die gibt es ja selbst unter der sogenannten »Parteilinken« in der Führungsriege nicht mehr –, aber selbst das zaghafte Hinterfragen der Agenda 2010 war schon revolutionär, verglichen mit dem betonköpfigen Festhalten am rotgrünen Meisterwerk durch die Schröder-Nachfahren Steinmeier, Steinbrück und Müntefering. Zudem ist diese Troika schwer beschädigt, wie wir noch sehen werden: Steinmeier als »Guantanamo-Mann«, Steinbrück als »Heuschrecken-Mann« und Müntefering als »Altersarmuts-Mann«.
    Nur folgerichtig ist keine Spur mehr von innerparteilicher Demokratie zu erkennen. Die einst berühmten inhaltlichen Flügelkämpfe wurden ersetzt durch die »Intrige von kleinen personalen Flechtwerken … Der Putsch von oben ist zur Methode sozialdemokratischer Oligarchien im Prozess derorganisatorischen Auflösung und ideologischen Entleerung der Partei geworden. Schröder machte 2004 Müntefering zu seinem Nachfolger, Steinmeier ruft 2008 wiederum Müntefering an und nominiert ihn dann öffentlich. So regelten einst feudale Gesellschaften die Thronfolge.« 28
    Diese Konstellation ist Lichtjahre von der SPD Willy Brandts entfernt und könnte daher jene angesprochene Arbeitsteilung mit der Lafontaine-Truppe begünstigen – aber nur scheinbar: Zum einen braucht auch eine noch so biegsame Linkspartei die Zustimmung ihrer Basis, und die besteht zum nicht geringen Teil aus enttäuschten Sozialdemokraten: Wer aber verlässt schon die SPD, um sich mit ihr in einer Koalition wiederzufinden? Zum anderen lehrte bereits das Platzen der
New-Economy
-Blase, dass bei Millionen von großspurigen Karrieristen mit dem Job und dem Traumgehalt über Nacht auch »Eigeninitiative« und »Selbstverantwortung« verlorengehen und lauthals nach der verachteten »sozialen Hängematte« gerufen wird: Mit der zur Elite strebenden »Neuen Mitte« dürfte auch das Wählerpotenzial der SPD rapide schmelzen.
    Bleibt also das, was mehr oder weniger schon immer und weit mehr als bei der Union ein Markenzeichen der SPD war: Man versucht erst gar nicht, die Wähler für irgendwelche Programme oder gar Visionen zu begeistern – Steinmeier ist nun wirklich nicht Obama –, sondern sich als kleineres Übel gegenüber CDU/CSU und Schwarz-Gelb zu verkaufen.
4. FDP: Zu früh gefreut?
    Bis vor kurzem war die FDP die einzige Bundestagspartei, die dem Wähler wenn schon nicht reinen, so doch vergleichsweise wenig gepanschten Wein einschenkte. Die FDP, darauf konnteman vertrauen, steht für den neoliberalen Aberglauben an die Allheilkräfte »des Marktes«, also für das kompromisslose Hauen und Stechen der einzelnen Bürger um den Maximal-profit als Garanten für Friede, Freude, Wohlstand sowie für Privatisierung, »Eigeninitiative« und »Selbstbestimmung«. Im Stile von Versicherungsdrückern wurde selbst der größte Depp zum »mündigen Bürger« verklärt – und auch dieser Unfug ehrlicherweise gleich relativiert: »Partei der Besserverdiener« nannten sich die Liberalen vorübergehend sogar selbst. Je mehr allerdings diese Schicht zwischen den Steinreichen und
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