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Die Dilettanten

Titel: Die Dilettanten
Autoren: Thomas Wieczorek
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fühlte sich bestätigt. Zweifellos hat die Angst vor
Bild
mit der eingangs erwähnten»Überzeugung des Berufspolitikers« zu tun, er habe es »draußen im Lande mit Millionen von Idioten zu tun« 324 – was ihn im Umkehrschluss dann zu Wahlkämpfen für Schwachköpfe veranlasst.
    Aber auch mit dem angeblichen
Mainstream
sieht es nicht viel besser aus. Da lässt man – von der
Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
über
Focus
und
Spiegel
bis hin zu
Maybrit Illner
und
Anne Will
– nichts unversucht, die neoliberale Giftbrühe in die Hirne argloser Normalbürger zu träufeln, und niemand dankt’s einem. Gut die Hälfte der Bürger ist mit dem Raubtierkapitalismus unzufrieden, und fast ebenso viele halten zumindest die Idee des Sozialismus für gar nicht schlecht. Der raffgierige
homo oeconomicus
will einfach nicht zum Leitbild der Deutschen werden. Nicht die Arbeitslosen gelten als »asoziales Pack«, sondern die Spitzenmanager.
    Vorgetäuscht
ist der Einfluss der Medien auf das Volk, wenn Politiker damit – häufig im innerparteilichen Machtkampf – durch die Hintertür und gegen besseres Wissen eine nicht vorhandene Zustimmung der Bürger zu ihrer Politik oder Person suggerieren wollen. Vor allem das bewusste Verwechseln von
öffentlicher
mit
veröffentlichter
Meinung dient dazu, selbst primitivste Kampagnen wie etwa gegen »den Staat« und seine Beamten (»teurer, dumm, faul«) oder im Jahre 2008 gegen den damaligen SPD-Chef Kurt Beck und Die Linke als Koalitionspartner als mehrheitsfähig darzustellen. Zum Wahrheitsgehalt von Umfragen – die ja gerade beim Sturz von Beck durch Steinmeier und Müntefering eine große Rolle spielten – sei hier nur an die Erkenntnis der legendären Wahlforscherin Elisabeth Noelle-Neumann verwiesen, dass
Demoskopie
sich vorzüglich zur
Demagogie
eigne.
    Das Ganze funktioniert am besten als Kuhhandel: Kaum eine andere Beziehung bietet sich für ein Geschäft zum gegenseitigenVorteil besser an als die zwischen Politikern und Medien, also für Kumpanei auf Kosten der Bevölkerung. Der Politiker tauscht mit dem Journalisten zum Beispiel die Chance zur Selbstdarstellung in Interviews und Talkshows gegen »exklusives Insiderwissen« oder Hofberichterstattung gegen einen Platz in der Regierungsmaschine.
    Zwar schleimen sich Journalisten beim Politiker nicht wegen etwaiger Hintergrundinformationen ein, »sondern aus der Sehnsucht heraus, mit im Scheinwerferlicht zu stehen, und ein Klaus Wowereit prahlt sogar, er könne »Journalisten instrumentalisieren«, weil er wisse, »worauf sie abfahren«. 325
    Andererseits aber diktieren die Medien gewisse Spielregeln, die nur ganz entfernt an seriösen Journalismus erinnern: Person schlägt Programm, Symbol schlägt Inhalt, Bauch schlägt Kopf. Peer Steinbrück als Eiche in der Wirtschaftskrise, Ursula von der Leyen als Retterin der deutschen Familie und Angela Merkel als Liebling der Weltpolitik ebenso wie Horst Seehofer als Fremdgänger, Klaus Wowereit als Partyprinz und Gabriele Pauli als Latex-Lady.
    Nun konnten wir aber bereits sehen, wie bereitwillig gerade inkompetente Politiker auf diesen Nebelkerzenjournalismus eingehen und dass ihr ständiges Jammern über »die Medien« nur gespielt ist.
    Folglich sind selbst primitivste Vereinfachung und billigste Meinungsmache kein Beweis für die Diktatur der Medien (
Mediokratie
), sondern für ein weitgehend ausgewogenes Geben und Nehmen. Überflüssig zu erwähnen übrigens, dass irgendeine Art von Fachwissen bei dieser Kumpanei nur eine marginale Rolle spielt und eher hinderlich ist. Man möchte ja zu gern (oder lieber nicht) Mäuschen sein etwa bei einem volkswirtschaftlichen »Hintergrundgespräch« zwischen einem Finanzstaatssekretär und einem
Focus
-Redakteur …
    Real
ist der Einfluss der Medien dagegen immer dann, wenn sie ihre Pflicht tun, zum Beispiel durch
Enthüllungsjournalismus.
Damit sind beileibe nicht nur Skandale gemeint, sondern auch die Darstellung von Inhalten. Fakten, Fakten, Fakten heißt hier das Schlüsselwort: Dass Gammelfleisch auf unseren Tellern landet und die Lieferanten noch immer geschützt werden, dass Hartz-Empfänger vermutlich keinen Cent von der Riester-Rente sehen, dass Konzernmitarbeiter an Gesetzen mitschreiben, dass der Steuerzahler mit dem 700-Milliarden-Schutzschirm auch die Traumeinkommen der Investmentbanker finanziert – all das wurde durch kritische Medien ebenso ans Tageslicht gezerrt wie die echten Skandale um die Spenden der Bundes-CDU, die
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