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Die Diebe von Troja - ein Abenteuer um Heinrich Schliemann

Die Diebe von Troja - ein Abenteuer um Heinrich Schliemann

Titel: Die Diebe von Troja - ein Abenteuer um Heinrich Schliemann
Autoren: Silke Vry
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Mann drückte ihr einen Kuss auf die Nase und versetzte ihr mit Nachdruck einen kleinen Schubs. »Los, lauf nach Hause zu deinen Eltern, aber erzähl niemandem davon, was du gerade gehört hast.«
    Jannis blickte Nikos vielsagend an. Warum ermahnte Spyros das Mädchen zum Schweigen? »Komm, lass uns hier abhauen und mit der Arbeit anfangen«, flüsterte er mit einem bedeutungsvollen Unterton in der Stimme. Nikos musterte ihn fragend.
    Im selben Moment verstummten die Gespräche der Arbeiter abrupt. Ein sonderbar aussehender Mann von schmaler, mittelgroßer Gestalt, einem auffallend großen Kopf und einer hohen Stirn, kam mit großen, zügigen Schritten auf die Gräben zugeeilt, Heinrich Schliemann, der Archäologe aus Deutschland, genannt der »Kyrie« , der »Herr«. Trotz der Hitze sah man ihn nie anders als mit einemschwarzen Anzug bekleidet und um seinen Hals hatte er sich ein dunkles Band, eine Krawatte, gebunden, deren Anblick bei sämtlichen Arbeitern immer wieder ein Schmunzeln auslöste. Glücklich sah er nicht aus, seine Stirn war von Sorgenfalten durchfurcht und sein Gesichtsausdruck verriet seine innere Anspannung. Die Männer ergriffen ihr Arbeitsgerät und erwarteten seinen ersten Kontrollgang an diesem Tag.
    Die Jungen schnappten sich die Schubkarre und eilten zu ihrer Arbeitsstelle, wo ihre Aufgabe wie an jedem anderen Tag darin bestand, die aus dem Graben freigeschaufelte Erde in das quietschende Gefährt zu hieven. Ein seltsames Ding, eine solche Karre. Bevor Schliemann hier auf dem Berg von Hissarlik mit seiner Grabung begonnen hatte, hatten sie nie zuvor einen solchen Gegenstand gesehen. Noch nicht einmal ein Wort dafür hatten sie gekannt. Immer abwechselnd fuhren sie mit der voll beladenen »Kiste auf Rädern« bis zum Abhang des nächsten Hügels, um ihren Inhalt nach unten rieseln zu lassen. Im Lauf der Zeit hatte sich auf diese Weise die Landschaft verändert, ein weiterer Hügel war entstanden.
    Jannis zog seinen Bruder ein wenig zur Seite und zischelte ihm zu: »Soeben haben wir unseren Fall gelöst. Spyros ist einer der nächtlichen Diebe, ganz klar!«
    Nikos sah ihn fragend an.
    »Glocken – Hochzeitsglocken! Verstehst du?«, fuhr Jannis fort. »Die beiden Männer haben in der Nacht über Glocken geredet. Sie haben eine Hochzeit gemeint. Einebestimmte Hochzeit, Spyros’ Hochzeit! Spyros braucht Geld, um Geld für eine andere Braut zu haben. Oder auch Gold, egal. Und er ist zu allem bereit. Es wird ein Unglück geschehen, eher wird es Tote geben – das hat er wörtlich gesagt, du hast es selbst gehört. Und falls er diese Frau heiraten muss, ist er bereit zu sterben. Alles würde er tun, damit das nicht passiert. Und die kleine Zoe soll ihren Mund halten.«
    »Spyros?«, erwiderte Nikos mit erstauntem Gesichtsausdruck. »Meinst du wirklich?«
    »Aber ja!« Jannis war ganz aufgeregt. »Aus Angst vor einer Hochzeit ist er zu allem bereit, zu Raub genauso wie zu Mord. Tagsüber erkundet er als braver Schubkarrenfahrer die Ausgrabung, schmeichelt sich bei Schliemann ein, tut ganz so, als sei er ein Ehrenmann, indem er ihm einen Teil der Gegenstände aushändigt, die er beim Buddeln findet. Kassiert dafür sogar noch eine Belohnung und einen dankbaren Händedruck. Aber nachts holt er sich dann den Rest von all dem, was er am Tag entdeckt hat, schließlich weiß er ja, wo es interessant werden könnte ... Hast du den goldenen Ring an seinem linken kleinen Finger gesehen? Den kann er noch nicht lange haben, der wäre mir aufgefallen, wo er doch sonst immer so armselig herumläuft. Und so mürrisch er auch aussieht, sobald er einen Blick auf diesen Ring wirft, strahlt sein Gesicht. Da, sieh ihn an, schon wieder tut er das ...« Die Jungen hatten sich umgewandt und betrachteten den Verdächtigen. Tatsächlich konnte nun auch Nikos sehen, wie in Spyros’ Augen einstrahlendes Fünkchen aufflammte, sobald er das Schmuckstück an seinem Finger betrachtete.
    »Ich bin mir sicher, dieser Typ treibt schon länger sein hinterlistiges Spiel mit uns. Und weil wir in der letzten Nacht auf der Grabung waren, sind wir ihm dummerweise auf die Schliche gekommen ... Den Dünnen haben wir also, jetzt müssen wir nur noch den Dicken finden.«
    Ohne dass es die Jungen bemerkt hatten, kam in diesem Moment Zoe, das kleine Mädchen, das Spyros begleitet hatte, hinter einem der Büsche hervorgekrabbelt und stellte sich vor sie.
    »Ich habe alles gehört, was ihr gesagt habt, aber Spyros hat nichts Böses gemacht«,
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