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Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)

Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)

Titel: Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)
Autoren: H. Gilbert Welch , Lisa M. Schwartz , Steven Woloshin
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Bluthochdruckmedikamente werden meist weniger als 20 Prozent der Teilnehmer ausgesondert, weil sie ihr Medikament nicht regelmäßig einnehmen. 4
    Diese Studie war ein echtes Experiment: Die Teilnehmer wurden in zwei Gruppen eingeteilt, und der Zufall entschied, welcher Gruppe ein Patient zugewiesen wurde. Eine Gruppe wurde wegen Bluthochdruck behandelt (sie bekam Hydrochlorothiazid und zusätzlich entweder Reserpin oder Hydralazin). Die andere Gruppe bekam Placebos (unwirksame Zuckertabletten). Diese Untersuchung über schweren Bluthochdruck gilt als eine unserer klassischen randomisierten Studien. Da ich auf Studien dieser Art noch häufiger zu sprechen komme, illustriert Abbildung 1.1 auf der nächsten Seite ihre wesentlichen Merkmale. Randomisierte Studien sind Studien, bei denen der Zufall entscheidet, ob die Teilnehmer ein Medikament bekommen oder nicht. Man könnte natürlich eine Münze werfen; doch in der Praxis trifft ein Computer die Entscheidung. Das Wort randomisiert (nach dem englischen Wort random , »zufällig, willkürlich ausgewählt«) wird benutzt, weil die Gruppe, in die ein Teilnehmer kommt, nach dem Zufallsprinzip bestimmt wird.
    Randomisierte Studien wurden in den vierziger Jahren von britischen Epidemiologen entwickelt, die sie verwendeten, um nachzuweisen, dass man dem Keuchhusten durch eine Impfung vorbeugen konnte und dass ein Medikament namens Streptomycin Tuberkulose heilte. 5 Leider setzte sich die Idee langsam durch, und es gibt heute noch zu wenige Studien dieser Art. Warum behaupte ich das? Weil randomisierte Studien die zuverlässigste Methode sind, um herauszufinden, was in der Medizin wirksam ist. 6 Wenn die Mitglieder zweier Gruppen einander in jeder Hinsicht gleichen außer in einer – ob sie ein Medikament bekommen oder nicht –, müssen Unterschiede, die am Ende der Studie beobachtet werden, das Ergebnis der Behandlung sein.
    Mehr als zwei Jahrzehnte lang haben uns Beobachtungen in die Irre geführt, wonach es Frauen nach der Menopause, die sich einer Hormonersatztherapie unterzogen, (in fast jeder Hinsicht) besser ging als jenen, die auf eine Therapie verzichteten. Doch als man Frauen endlich im Rahmen einer randomisierten Studie Hormone oder Placebos verabreichte, stellte sich heraus, dass die Therapie mehr Probleme verursachte, als sie löste. 7 Es ist verführerisch, Menschen, die ein bestimmtes Medikament einnehmen, mit jenen zu vergleichen, die das nicht tun; aber diese Gruppen unterscheiden sich in vielen wichtigen Aspekten voneinander, nicht nur hinsichtlich der Therapie. Menschen, die ein Medikament einnehmen (die also Zugang zu einem Arzt haben, sich das Medikament leisten können und beschließen, es zu nehmen), sind im Durchschnitt gebildeter, wohlhabender und generell gesundheitsbewusster (sie treiben zum Beispiel mehr Sport und rauchen weniger). Ein solcher Vergleich ist zwar einfach, verfälscht aber das Ergebnis, denn den Menschen, die vorbeugend Medikamente nehmen, geht es schon deshalb besser als jenen, die das nicht tun, weil sie von vornherein gesünder sind – selbst wenn das Medikament keinerlei Wirkung hat. Um dieses Problem zu vermeiden, brauchen wir echte Experimente: randomisierte Studien.

    Abbildung 1.1 Grundmuster einer randomisierten Studie
Die randomisierte VA-Studie über die Behandlung von schwerem Bluthochdruck
    Die VA-Studie war nach heutigen Maßstäben ziemlich klein: Sie hatte nur etwa 140 Teilnehmer. Rund 70 von ihnen wurden behandelt, 70 nicht. 8 Zudem war die Studie nach modernen Standards recht kurz: Sie dauerte etwa anderthalb Jahre. Die umseitige Tabelle 1.1 ist die Strichliste, die zeigt, wie viele Teilnehmer im Laufe dieser Zeit negative gesundheitliche Folgen zu beklagen hatten und wer von ihnen Medikamente oder Placebos einnahm. 9
    Tabelle 1.1 Ergebnisse der randomisierten VA-Studie über die Behandlung von schwerem Bluthochdruck
Ergebnis
keine Behandlung
(Kontrollgruppe)
Behandlung
(Intervention)
Tod
4
0
Schlaganfall
4
1
Herzversagen
4
0
Herzanfall
2
0
Nierenversagen
3
0
Augenblutung
7
0
hospitalisiert wegen Bluthochdruck
3
0
Behandlungskomplikationen
0
1
Summe
27
2
    Kleine Studie, kurze Nachbeobachtung – aber sehr aussagekräftige Resultate. Sie sehen enorm viele Nullen in der behandelten Gruppe. Und die unterste Zeile ist krass: 27 negative Vorfälle in der unbehandelten und 2 in der behandelten Gruppe.
    Um zu verstehen, wie klar das Ergebnis ist, müssen Sie bedenken, dass es bei insgesamt 29 Teilnehmern negative
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