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Die deutsche Götterlehre

Die deutsche Götterlehre

Titel: Die deutsche Götterlehre
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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höhere Kunde von den Geheimnissen der Götter- und Geisteswelt bei, als den vierfüssigen Thieren, ihre freie Bewegung durch die Luft machte sie geeigneter zu Boten der Götter, darum ist auch ihre Begegnung bedeutsamer. Wenn vom Verstehen der Thiersprache, welches oft den Helden gegeben ist, berichtet wird, dann werden meist nur die Vögel genannt. Man achtete auf die Seite, auf welcher der Vogel flog, und wie immer so ist auch hier die rechte die glückliche, die linke die unglückliche Seite. Ebenso wichtig war, von welcher Seite her man das Geschrei eines Vogels vernahm, besonders der Krähe. Sieht man die Elster von vorn so ist das Zeichen gut, von hinten, schlimm.
    Auch das blosse Erscheinen der Vögel, ihr Nisten an den Wohnungen der Menschen ist bedeutsam. Schwalbe und Storch sind willkommen, wo sie ihr Nest bauen, todverkündend hingegen ist der Ruf der Eule, die daher auch Leichenhuhn, Klagmutter, Klageweib heisst; der Ruf des Käuzchens lautet dem Volk wie Leiche (Lich). Wenn der Maulwurf im Hause wühlt, stirbt eins; er kündet gleichsam das Aufwühlen des Grabes vorher an. Ebenso wenn Mäuse Schlafenden am Kleid nagen, denn so werden bald die Würmer den Leib des im Todesschlaf Liegenden verzehren.
    Auch aus den Elementen werden Weissagungen gewonnen, so aus dem stockenden oder fliessenden Quell, aus dem Heerdfeuer, dem Freund der Menschen, aus der einbrechenden Erde.
    Nicht jeder Tag galt für gleich günstig zum Beginn eines Unternehmens, zum Antritt der Reise, zum Anfang des Hausbaus. Vorzüglich heilig und darum auch glückbringend und günstig scheinen Mittwoch und Donnerstag gewesen zu sein, der Freitag steht dagegen noch heut in bösem Ruf.
    Noch auf eine andere Weise stehen die Thiere in Beziehung zum Aberglauben: wie der Erfolg der Tagesarbeit davon abhing, dass am frühen Morgen eine günstige Begegnung eintrat, wie des Wolfes, der Raben Geleit Sieg weissagte, so pflegte dem wandernden Heer ein göttlich gesandtes Thier den Weg und den Ort der Niederlassung anzuzeigen. Colonieen wurden nach dieser Anführung gegründet, Städte und Burgen, später auch Kirchen gebaut. So führte ein weisser Wolf den niederländischen Helden Bavo zu einem Berg, worauf der Altar eines Gottes stand; da schlug Bavo seine Zelte auf und wohnte daselbst. Ein Bär und ein Adler führten den h. Gislen im Hennegau an das Ufer der Haine, wo er ein Kloster baute; Pferde, Raben, Tauben weisen die heilige Stätte, wo eine Kirche gebaut werden soll; Jäger führt ein Hirsch oder Eber zur Quelle, wo die göttlichem Blut entsprossene Jungfrau ihrer harrt.
    Thiere zeigten aber nicht bloss den Ort des Baus, es wurde oft auch für nöthig erachtet, lebendige Thiere, selbst Menschen in den Grund einzumauern , auf welchem das Gebäude errichtet werden sollte. Es war gleichsam ein der Erde dargebrachtes Opfer, welche die Last auf sich duldet, und man wähnte, durch diesen grausamen Brauch unerschütterliche Haltbarkeit oder andere Vortheile zu erreichen. So sehr im Volk eingewurzelt ist der Glaube, dass man bei dem vor ein paar Jahren zu Halle vollendeten Brückenbau noch wähnte, die Baumeister bedürften dazu eines Kindes zum Einmauern. Als die Burg Liebenstein gebaut werden sollte, gab eine Rabenmutter ihr Kind dazu her; man gab ihm eine Semmel mit, welche es ass. Beim Einmauern sage es: ›Mutter ich sehe dich noch‹; als die Mauer es fest umschloss, rief es: ›Mutter ich sehe dich noch ein wenig‹; und als der letzte Stein eingefügt wurde: ›Mutter, ich sehe dich nun nicht mehr‹. Gleich rührend ist die schleswigsche Sage von dem am Stördeich eingegrabenen Kind, welches eine Zigeunermutter für tausend Thaler hergab. Am Deich war ein grosses Loch, welches um jeden Preis ausgefüllt werden musste. Eine kluge Frau hatte gesagt, das sei nur möglich, wenn man ein lebendiges Kind da vergrabe, aber es müsse freiwillig hinein gehn. Nun legte man ein Weissbrod auf das eine Ende eines Brettes und schob dieses so über das Loch, dass es bis in die Mitte reichte. Als nun das Kind hungrig darauf entlang lief und nach dem Brod griff, schlug das Brett über und das Kind sank unter. Doch tauchte es noch ein paarmal wieder auf und rief beim erstenmal: ›Ist nichts so weich als Mutters Schoss?‹ Und beim zweitenmal: ›Ist nichts so süss, als Mutters Lieb?‹ Und zuletzt: ›Ist nichts so fest, als Mutters Treu?‹ Da aber waren die Leute herbeigeeilt und schütteten viel Erde auf, dass das Loch bald voll ward.
    Die Traumdeutung
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