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Die deutsche Götterlehre

Die deutsche Götterlehre

Titel: Die deutsche Götterlehre
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Mitunter erwacht der Kaiser und fragt den Eintretenden, ob die Raben noch um den Berg flögen? Auf die Bejahung der Frage erwiedert er: So muss ich hundert Jahre länger schlafen. Meistens trägt der Kaiser einen langen Bart und zwar wächst derselbe durch oder um den Tisch; zweimal ist er bereits herumgewachsen, wenn er das drittemal den Tisch umschlossen hat, dann wird der Kaiser erwachen und seinen Schild an einen laublosen dürren Baum hängen, davon wird der Baum grünen und eine bessere Zeit werden. Andere sagen, wenn der Bart zum drittenmal die letzte Tischecke erreicht habe, trete das Weltende ein. Das Walserfeld hat einen dürren Baum, der schon dreimal umgehauen wurde, seine Wurzel schlug immer wieder aus, dass ein vollkommener Baum daraus erwuchs. Wann er wieder beginnt zu grünen, dann naht die schreckliche Schlacht und wann er Früchte trägt, wird sie anheben. Der Kaiser hängt dann seinen Schild an den Baum, alles wird hinzulaufen und ein solches Blutbad sein, dass den Kriegern das Blut in die Schuhe rinnt, da werden die bösen von den guten Menschen erschlagen werden.
    Diese letzte Schlacht ist die Weltschlacht, welche dem Weltuntergang vorher geht, dem Weltbrand, dessen Asche die neugrünende Erde entsteigt. Das Wachsen des Bartes in den Stein oder um den Stein drückt die lange Dauer der Vergangenheit oder den langsamen Fortschritt der Zukunft aus.
    Wir erkannten bereits Holda als eine Berge bewohnende, in Berge entrückte Göttin. Gleich ihr sind es auch und vorzüglich weisse Frauen, weissgekleidete Jungfrauen, auf welche der Begriff dieser Bergverwünschung Anwendung leidet; göttliche oder halbgöttliche Wesen des Heidenthums, die den Blicken der Sterblichen noch zu bestimmter Zeit sichtbar werden. Sagen von ihnen leben fast auf allen Bergen Deutschlands, die eine Burg trugen oder noch tragen, eine anmuthiger wie die andere. Am liebsten erscheinen diese schönen Jungfrauen Schäfern und Hirtenknaben, die ihre Heerden in der Nähe der Burgen weiden. Sie sind alle ›schneeschlossenweiss‹ gekleidet, ein Merkmal ihrer Göttlichkeit und tragen in der Hand oder am Gürtel ein Bund Schlüssel, oft auch einen Strauss weisser oder blauer Blumen. Meist zeigen sie sich Mittags im Mai, wenn die Mai- und Schlüsselblumen und Vergissmeinnicht blühen, steigen vom Burgberg hernieder an den Brunnen oder den Bach im Thal, strählen und schlichten ihr schönes Haar, waschen sich in der frischen Flut und kehren zur Burg zurück. Mit wem sie zusammentreffen, den beschenken sie gleich Holda und Perahta mit scheinbar werthlosen Dingen, welche sich bei näherem Zusehen in Gold wandeln.
    Alle sehnen sich nach Erlösung , gleich dem ungeduldig nach den Raben fragenden Kaiser. Wie bei diesem, so ist auch für sie die Erlösung in zweiter Reihe an einen Baum geknüpft, in erster an einen dreifachen Kuss von keuschen Jünglingslippen. 106 Der Kuss wird jedoch dadurch erschwert, dass die Jungfrau ihre menschliche Gestalt abwirft und in der eines widerlichen Thieres, einer Schlange, Kröte, eines Drachen erscheint. Viele unternehmen das, aber keiner vollbringt es und jammernd sinken die Getäuschten wieder in ihre Berge zurück, denn nun müssen sie warten, bis ein schwaches Reis im Burghof ungestört und unabgehauen zu einem starken Baum herangewachsen ist, aus dessen Holz eine Wiege gemacht wird und der zuerst darin Geschaukelte seine Unschuld bewahrte, bis er die Jungfrau traf.
    Mit dem in die Berghöhle entrückten Helden ist meistens ein ungeheurer Hort versenkt, den Schlangen, Drachen oder scheusliche Hunde hüten. Auch wer ihn heben will muss rein sein, denn an seine Hebung ist oft die Erlösung der weissen Jungfrauen geknüpft. Ferner muss es unberufen geschehen, es darf nicht dabei gesprochen werden, sonst versinkt der Schatz augenblicklich.
    Die Sage fasst den Schatz einer Blume gleich auf. Er ist gleichsam in die Erde gesäet und rückt jedes Jahr der Oberfläche näher; wenn er sie fast erreicht hat, zeigt sich ein Flämmchen an der Erde, das heisst im Volke: der Schatz blüht . Ist er oben, liegt er bloss da, dann sagt man, er sei zeitig , versinkt er ungehoben, er verblühe . So bringt auch eine Blume in des Schatzes Besitz, sie sprengt die Wände der Berge, in denen er ruht, sie ist der Schlüssel zum Schatz. Solcher Blumen eine trägt daher ihren Namen Schlüsselblume. Der Beglückte findet sie zufällig und steckt sie auf seinen Hut, oder steckt sie vor oder trägt sie in der Hand, oder sie bleibt ihm in
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