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Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
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und auf jeden Fallbehandlungswürdige Form der depressiven Verstimmung galt, ist unabhängig von den Außenfaktoren, die Sartorius geltend macht. Sie folgt ihren eigenen Gesetzen. Die Erweiterung der verantwortlichen Ursachen ermöglichte es, verschiedene Formen und Ausprägungen depressiver Stimmungen und Haltungen in den Krankheitsraum zu rücken und krankhafte Zustände, die einer Behandlung bedürfen, zu erklären. Die Lehre vom „Depressionskontinuum“, die wir später vorstellen werden, ergab sich als notwendige Konsequenz ebenso wie eine neue Art der Diagnostik, die in den Diagnoseschemata der WHO (ICD) und der Amerikanischen Gesellschaft für Psychiatrie (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen – DSM) Gestalt annahm.

2
Kranke Gefühle –
Depression als
Krankheitsgeschehen
Einteilung der Depressionen – früher und heute
    Im Gesamtspektrum der psychischen Störungen und Erkrankungen nimmt die Depression eine einzigartige Stellung ein, denn ihre Symptome sind universell und finden sich bei verschiedenartigen psychiatrischen Krankheitsbildern in unterschiedlicher Ausprägung und in unterschiedlichem Schweregrad. Daher ist die Diagnose einer depressiven Erkrankung manchmal nicht leicht zu stellen. Erschwert wird die Diagnose prinzipiell dadurch, dass in der Psychiatrie die Definition von psychischer Krankheit uneinheitlich und von verschiedenen Strömungen innerhalb der psychiatrischen Wissenschaft und Lehre sowie zusätzlich von der kulturellen Bewertung psychischer Phänomene beeinflusst ist.
    Insofern ist das Bestreben, Regeln für eine allgemeingültige kultur- und schulunabhängige psychiatrische Diagnostik zu schaffen, zu begrüßen. Allerdings ist dieses Vorhaben bisher mit den verfügbaren diagnostischen Leitlinien in den psychiatrischen Diagnosemanualen DSM und ICD nicht gelungen. Vielmehr spiegeln auch diese Richtlinien Fraktionskämpfe innerhalb der Psychiatrie wider und haben insgesamt durch ihre „kategoriale Ausrichtung“ – die von Kritikern als „Kochbuchmentalität“ bezeichnet wird – zu einer Verarmung der diagnostischen Kunst geführt.
    Früher unterschied man zwischen reaktiven, neurotischen, körperlich begründbaren und Erschöpfungsdepressionen. Der Kern, gleichsam der „klassische Typ“ der Depressionen, war die endogene Depression, eine vor allem biologisch begründbare Schwermut mit charakteristischem Krankheitsverlauf und gewissen Symptomschwerpunkten.In den neuen Klassifikationen tauchten neue Begriffe auf: Im ICD werden depressive Episoden, rezidivierende, anhaltende und bipolare affektive Störungen voneinander abgegrenzt, im DSM-System „Major Depression“, Dysthymie und bipolare Störungen.
    In den neuen Systemen sind aber auch die früher grundlegenden Unterscheidungen verwischt worden. Das Verständnis, das aus den diagnostischen Instrumentarien hervortritt, hat die Forschung erleichtert und das internationale, kulturübergreifende Verständnis ermöglicht, gleichzeitig aber auch der Entwicklung einer „sprachlosen“ Psychiatrie den Weg gebahnt, die sich auf Fragebögen und die Erfassung von vorgegebenen diagnostischen Merkmalen reduziert und dabei selbst vernachlässigt, die Symptome nach ihrem Schweregrad zu ordnen.
    Als wir in den 60er Jahren unsere Ausbildung in Psychiatrie absolvierten, wurde uns vermittelt, dass die klinische Depression eine Gemütskrankheit sei, die in verschiedenen Erscheinungsbildern auftritt. Man lernte, entsprechend der vorhin beschriebenen Lehrmeinung, zwischen „psychogenen“ (rein seelisch ausgelösten) Depressionen und „somatogenen“ (körperlich begründbaren) Depressionen zu unterscheiden.
    Als wichtigstes Problem galt in der Ausbildung der „klassische Typ“ der Depressionen, der durch Jahrhunderte hindurch als Melancholie bekannt war und später als endogene Depression bezeichnet wurde. Darunter verstand man eine biologisch begründbare Schwermut mit einem charakteristischen Krankheitsverlauf, bestimmten Auslösern und mehr oder minder typischen symptomatischen Schwerpunkten. Besondere Aufmerksamkeit galt in dieser Zeit auch der „larvierten Depression“, die mit zunehmender Häufigkeit zu beobachten war und neue Anforderungen an das diagnostische Geschick stellte.
Die Grundzüge der Depression
    Allgemein wurde und wird
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