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Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
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Europäischen Union sogar 26 Prozent. Diese Störungen stehen für 40 Prozent der mit körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen verbrachten Lebensjahre, und unter ihnen sind Depressionen die wichtigste Ursache. Es wird angenommen, dass fast jeder fünfte Bürger der OECD-Staaten im Laufe seines Lebens an einer Depression erkrankt. Das Ausmaß der depressiven Belastung der Bevölkerung wird auch an der Verbreitung der bedeutendsten depressionsassoziierten Todesursache gemessen: Allein in der EU begehen jährlich 78.000 (!) Menschen Suizid. Aufgrund dieser Zahlen wird gesagt, dass die Depression einen Platz im Spitzenfeld der häufigsten Krankheiten einnimmt.
    Abgesehen von dieser epidemiologischen Problematik gilt es als großes gesundheitspolitisches und ökonomisches Problem, dass Depression nicht auf ihre klinischen Ausprägungen und Folgeerscheinungen reduziert werden kann. Depression ist eine Erkrankung, die auf den sozialen Raum rückwirkt: auf individuellem Niveau auf die zwischenmenschlichen Beziehungen und im größeren soziokulturellen Zusammenhang auf das Gemeinwesen. So wurde erarbeitet, in welchem Ausmaß der Arbeitsmarkt dadurch belastet wird, und festgestellt, dass bis zu 50 Prozent längerer Fehlzeiten auf Depressionen bzw. Angstzustände zurückgeführt werden können und dass psychiatrische Leiden mit 40 Tagen durchschnittlich längere Krankenstände als andere Erkrankungen verursachen, für die ein Durchschnittswert von 11 Tagen angenommen wird. Depressionen sind für 15 Prozent aller Tage verantwortlich, die mit Behinderungen erlebt werden. Einige Länder, etwa Dänemark und die Niederlande, geben an, dass bis zu 50 Prozent der langen Fehlzeiten und der für Behinderungen aufgewandten Mittel auf psychische Störungen und hier in erster Linie auf Depressionen zurückzuführen sind.
    Die Weltgesundheitsorganisation der UNO (WHO) hat auch berechnet, dass Depressionen neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen die weltweit führende Ursache für die durch Behinderung beeinträchtigten Lebensjahre sind. Diese Berechnung ist auf die gesamte Lebensspanne bezogen. Engt man die Altersspanne auf 15 bis 44 Jahre ein, wird der hohe Stellenwert dieser psychiatrischen Erkrankungen und hier der Depression besonders deutlich. Sie machen etwa ein Viertel aller durch Behinderung beeinträchtigten Lebensjahre dieser Altersgruppe aus.
    Die durch Stimmungsstörungen und Angstzustände in der EU verursachten Kosten werden mit 170 Milliarden Euro pro Jahr veranschlagt. Da derzeit auch die Auffassung besteht, dass über 50 Prozent der schweren Depressionen nicht behandelt werden, wird vorausgesagt, dass es zunehmend mehr Menschen geben wird, die als Depressionskranke diagnostiziert werden und behandelt werden müssen. In den Voraussagen seitens der WHO bestand zunächst die Annahme, dass im Jahr 2020 Depression die zweithäufigste Diagnose sein werde, gleich nach den Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems. In der Voraussage für 2030 wurde dieser Wert nach oben korrigiert. Nunmehr gilt die Annahme, dass in den Industriestaaten im Jahre 2030 die Depression die meist diagnostizierte Krankheit sein wird und die kardiovaskulären Erkrankungen überrundet haben wird. In diesen Prognosen wird auch vorausgesagt, dass Depressionen an erster Stelle jener Krankheiten stehen werden, die für vorzeitige Sterblichkeit oder Behinderung verantwortlich sind. Die Depression gilt dementsprechend als zunehmend ökonomisches Problem, sie belastet die Krankenkassen, die Sozialversicherungen und damit uns alle.
    Beklagt wird seitens der WHO, dass die Problemlage dadurch verschärft wird, dass über 50 Prozent der schweren Depressionen nicht behandelt werden, obwohl – in der Diktion dieser Behörde – wirksame Behandlungen verfügbar sind.
    Die Beantwortung der Frage, was die WHO unter „wirksamen Behandlungen“ versteht, ist wichtig, weil sich unsere Gesundheitsversicherungssysteme daran orientieren. Die Behörde ortet, dass die Behandlung auf drei Säulen ruht: auf medikamentöser Behandlung,Psychotherapie und Selbsthilfe. Sie stellt kommentarlos fest, dass die Verordnung von Antidepressiva weit verbreitet ist und dass ca. zehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung im Laufe eines Jahres Antidepressiva einnehmen. Psychotherapien hätten sich als ebenso wirksam erwiesen; insbesondere sei die kognitive
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