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Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
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die Frau aus unbewusster Selbstbestrafung lustvolle Sexualität versagen.
Klimakterium (Menopause)
    Der Verlust der Potenz „Fruchtbarkeit“ verläuft bei Frauen anders als bei Männern. Die lange Zeit übliche WHO-Definition von Menopause: als „funktionsloser Eierstock“ – eine besonders zynische Definition – besagt, dass eine Funktion, die grundlegende Bedürfnisse erfüllt und über die auch Macht ausgeübt werden kann, für immer verloren ist. Es ist für die betroffene Frau wohl ein Unterschied, ob sie die Wahl hat, d. h. ob sie, falls sie das noch will, schwanger werden kann, oder ob ihr diese Wahlmöglichkeit von der Natur her verwehrt wird.
    Verantwortlich für die „funktionslosen Eierstöcke“ sind der Anstieg des Hormons, welches die im Eierstock vorhandenen Follikel stimuliert und der Abfall der Sexualhormone im Blut. Welche Bedeutung dieser hormonellen Umstellung zugeteilt wird, hängt wiedervon der persönlichen Lebenslerngeschichte, dem soziokulturellen Umfeld und von biologischen Faktoren ab und hat zu einer Fülle von Mythenbildungen angeregt, sowohl in der Wissenschaft als auch in der Populärkultur.
    Mythen handeln bekanntlich mit falschen Universalien – das sind vielen Kulturen gemeinsame Allgemeinbegriffe, die wenig bedeuten und die Wirklichkeit verschleiern. Besonders beliebt war die Etikettierung der ‚Wechselbeschwerden‘ als Strafe für „Verfehlungen“ im Leben der Frau. Besonders deutlich wird diese „Straffunktion“ der Menopause im folgenden Zitat: „Für eine Frau, welche die Gesetze der Natur überschreitet, werden die Wechseljahre eine wahre Büchse der Pandora sein, voll mit Krankheiten, und sie möge mit Angst diese Prophezeiung erwarten.“ 7
    Mythisierende Zuschreibungen an den „funktionslosen Eierstock“ zentrieren sich um das Gefühlsleben (Affektivität), welches etikettiert als „affektive Störung“ oder ‚Menopausale Depression‘ zur Medikalisierung dieses Lebensabschnittes führt, und um die Sexualität – besonders um Störungen der sexuellen Funktion wie Lustlosigkeit, eventuell auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr.
    Beschwerden, ausgelöst durch den „funktionslosen Eierstock“, sind etwa Hitzewallungen oder Schlafstörungen. Eine leichte Instabilität des Gefühlslebens, heute als ‚Menopausal Blues‘ bezeichnet, ist als Reaktion auf die Vorstellung von Verlusten keineswegs als Depression zu bezeichnen. Die Verluste dieser Lebensphase betreffen bei vielen Frauen nicht nur die Fruchtbarkeit. Der Abfall des Blutspiegels der Sexualhormone betrifft die Funktion anderer Organsysteme: der Haut, der Haare, der Knochen, etc. und ist ein „normales“ Phänomen.
    Der Anstieg des die Eierstöcke anregenden Hormons ist nachweislich für die Probleme der Temperaturregulation, also der Hitzewallungen, unter welchen manche Frauen in dieser Lebensphase leiden, verantwortlich und in einem geringen Grad auch für die Schlafstörungen. So können Aufwachphasen bei Frauen, die sonst nicht unter Schlafstörungen leiden, auch von den Hitzewallungen mitbedingt sein. Diese Beschwerden stellen somit eine Indikation für eine Hormonersatztherapie, ärztlich kontrolliert und zeitlich befristet, dar.
    Die britische Psychologin Myra Hunter hat eine prospektive Studie an Frauen zu diesen Fragen durchgeführt. Sie hat von allen circa 40-jährigen Frauen, welche die gynäkologische Ambulanz eines großen britischen Krankenhauses aufsuchten und einwilligten, an einer Studie zum Thema ‚klimakterische Beschwerden‘ mitzuarbeiten, detaillierte Angaben zur seelischen Befindlichkeit, zur Lebenssituation, zu Familie, Beruf und zur finanziellen Situation erhoben – sowohl in persönlichen Interviews als auch mittels standardisierter Fragebögen. Diese Untersuchungen wurden nach dem Ausbleiben der Menstruation fünf Jahre später wiederholt. Die einzigen Faktoren, die in dieser Studie überzufällig mit leichten und mittelschweren depressiven Symptomen zusammenhingen, waren Ehescheidung oder Trennungen und der Verlust des Arbeitsplatzes; nicht jedoch das Ausbleiben der Menstruation. 8
    Interessant sind auch Studien, welche die Reaktionen von Frauen unterschiedlicher kultureller Zugehörigkeit auf die Menopause vergleichen. Die Autoren einer israelischen Studie untersuchten
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