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Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
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welchen sich Erinnerungen – auch an körperliche Veränderungen wie z.B. die durch eine Schwangerschaft – verstecken und von dort aus weiterhin das innere Bild, das Frauen von ihrem Körper haben, beeinflussen können.
Adoleszenz
    Unter Adoleszenz versteht man die Summe aller Anpassungsvorgänge an die körperlichen Veränderungen der Pubertät. Die „normalen“ Verluste im weiblichen Lebenszyklus sind zentriert um die weibliche Fruchtbarkeit und beginnen in der Vorpubertät (Präadoleszenz) mit der Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale und damit auch mit dem Verlust des kindlichen Körperschemas, angeregt durch die Sexualhormone.
    Der Verlust ist bei Mädchen wesentlich einschneidender als bei Knaben, verändert sich doch ihr Körper drastischer. Mit dem hormonell bedingten Ansteigen der Heftigkeit der aggressiven und sexuellen Triebe und den hormonell verursachten körperlichen Veränderungen werden auch die kindlichen Identifikationsmuster – beim Mädchen die Identifikation mit der Mutter – infrage gestellt. Die Kämpfe des adoleszenten Mädchens zwischen Wünschen nach Abhängigkeit, dem Wunsch nach Verweilen in der schützenden Kind-Rolle einerseits und nach Selbstbestimmung andererseits, spiegeln sich in den Krisen zwischen adoleszenten Mädchen und ihren Müttern wider. Auch die Mütter sind meist den Unabhängigkeitsbestrebungen ihrer Töchter gegenüber zwiespältig eingestellt: Einerseits sind sie stolz auf die ‚erwachsene‘ Tochter, andererseits signalisiert der Verlustdes Einflusses auf die Tochter eine bevorstehende Trennung. Eine progressive, wenig gestörte adoleszente Entwicklung bringt natürlich auch psychische Gewinne für das Mädchen: ein gestärktes Autonomiegefühl, mehr Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Trotzdem kann der Verlust des kindlichen Körperschemas wie beschrieben eine Quelle von Ängsten und Schuldgefühlen sein. Adoleszente Mädchen können unterschiedliche Krankheitszeichen (Symptome) entwickeln, um diese Schuldgefühle und Ängste unter Kontrolle zu halten. Das Leiden an depressiven Symptomen ist eine solche Möglichkeit.
Menstruation
    Die Menstruation bedeutet einen monatlichen Blutverlust. Eine Körperflüssigkeit, die als „besonderer Saft“ bezeichnet und mit vielen mythischen Bedeutungen unterlegt wird, geht monatlich verloren und wird, wie etwa Harn oder Stuhl, weggespült. Auf Art und Menge und Zeitpunkt des Auftretens der Blutung hat das betroffene Mädchen, die betroffene Frau, keinen Einfluss. Ob die Menstruation subjektiv als schmerzlicher Verlust oder als normales, manchmal lästiges oder störendes Zeichen der Fruchtbarkeit erlebt wird, hängt davon ab, wie zwiespältig die betreffende Frau einem Kinderwunsch gegenüber eingestellt ist. Für eine Frau, die – sei es bewusst oder unbewusst – schwanger werden möchte, bedeutet die einsetzende Menstruation den Abschied vom Wunsch, diesmal schwanger geworden zu sein – also einen Verlust.
    Ein wichtiges Thema ist das ‚Prämenstruelle Syndrom‘. Darunter werden Zustände emotionaler Instabilität, Reizbarkeit, Ängstlichkeit und körperliche Symptome wie Brustspannen und ein ‚Blähbauch‘ verstanden. Diese Beschwerden treten ungefähr eine Woche vor Einsetzen der Menstruation auf und sind mit Einsetzen der Blutung fast schlagartig verschwunden. Zur Milderung dieser Beschwerden wurden längere Zeit von Frauenärzte zumeist Hormone verordnet, derzeit gibt man auch in Österreich Antidepressiva vom Typ der Serotonin-reuptake-Hemmer (SSRI).
    Wie kam es dazu? Im Sommer 2001 wurde den betroffenen Frauen und ihren Gynäkologen eine „neue Substanz“ angepriesenen,die in den USA als Sarafem approbiert worden war und sensationelle „Heilung“ dieser Beschwerden versprach. Was war geschehen? Nichts anderes als die Umbenennung eines damals schon umstrittenen Antidepressivums, dessen Patent demnächst auszulaufen drohte.
    Was war neu an Sarafem? Erstens tauchte plötzlich eine neue Diagnose auf: Premenstrual Dysphoric Disorder, zu Deutsch ‚Prämenstrueller Verstimmungszustand‘. Damit wurde eine Brücke zu depressiven Störungen geschlagen (siehe Depressionskontinuum, Seite 24 ). Hinter Sarafem verbarg sich nichts anderes als die chemische Substanz Fluoxetin, ein
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