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Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
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Antidepressivum, das bei uns als Fluctine, in den USA als Prozac im Handel war. Prozac war damals in den USA Gegenstand heftiger Kritik, die Verkaufsziffern sanken drastisch. Nebenwirkungen wie Hautausschläge, Konzentrationsstörungen, Schwindelgefühle, waren u. a. dafür ausschlaggebend. Die produzierende Firma änderte die Farbe der Tabletten von grün auf pink und den Namen des als Antidepressivum stigmatisierten Prozacs in den betont feminin klingenden Namen Sarafem. Die Dosis – 20 Milligramm – blieb unverändert. Auf Nachfrage erklärte eine Marketingmanagerin der Erzeugerfirma, dass die Premenstrual Dysphoric Disorder (PMDD) eine eigene medizinische Kategorie sei und sich von der Depression unterscheide. Die Gesellschaft amerikanischer Psychiater (APA) hingegen erklärte damals, dass PMDD keine offizielle Diagnose sei – Forschungsergebnisse zu dieser Frage seien ausständig. Die Öffentlichkeit erfuhr von dieser „Umetikettierung“ durch einen sehr gut recherchierten Text in der Zeitschrift
Village voice
. Die bedeutende Sozialmedizinerin Marcia Angell berichtet in ihrem Buch
Der Pharma-Bluff
ebenfalls über diese Umetikettierung. 5
    Ein derartiges Vorgehen einer pharmazeutischen Firma, das einer Täuschung der Öffentlichkeit gleichkommt, ist für viele Frauen – und auch für viele Ärzte – nicht leicht nachvollziehbar. Die Frauen und die verschreibenden Ärzte wurden getäuscht, sie tappten in eine Falle: Jeden Monat für mindestens eine Woche als „psychisch krank“ stigmatisiert zu werden, wurde letztlich von den meisten Frauen naturgemäß nicht als Gewinn und auch nicht als angemessene Hilfe erlebt.
Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett
    Jede Schwangerschaft bringt Erinnerungen und Fantasien mit sich: Erinnerungen an die eigene Kindheit werden lebendig. Das Sich-Einfinden in die Mutterrolle ist gefordert und Zukunftspläne werden geschmiedet. Für viele Frauen stellen die schwangerschaftsbedingten Veränderungen des Körperschemas einen Verlust dar. Das trifft auch bei geplanten und gewünschten Schwangerschaften zu. Auf der bewussten Ebene kann sich der Verlust auf die ursprünglichen, gewohnten Körperkonturen beziehen – bei sehr schlankheitsbewussten Frauen spielt das oft eine Rolle. Auf einer tieferen Ebene bedeutet eine Schwangerschaft auch einen Autonomieverlust, den Verlust einer (oft hart errungenen) Selbstbestimmung. Diese Vorstellung von Autonomieverlust wird durch die Tatsache bestärkt, dass Tempo und Art des Schwangerschaftsverlaufes völlig außerhalb der Kontrolle der Schwangeren sind. Es gibt Frauen die aus diesem Grund das Aufrechterhalten einer Schwangerschaft nicht ertragen und Schwangerschaften immer wieder abbrechen müssen.
    Durch den Akt der Geburt ändert sich das Körperschema erneut. Viele Frauen empfinden dann eine Art Leere in ihrem Inneren. Das Durchtrennen der Nabelschnur markiert für viele Frauen drastisch den Verlust der Mutter-Fötus-Einheit. Ein weiterer Schritt in diese Richtung wird durch das Abstillen gesetzt: Das endgültige Zurückziehen der Brustwarzen aus dem kindlichen Mund bedeutet (siehe Abschnitt „Baby-Blues“) ein weiteres Durchtrennen einer Körperbrücke zwischen Mutter und Kind.
    Eine Schwangerschaft birgt die Gefahr von Frühgeburten, Totgeburten und die Gefahr, ein fehlgebildetes Kind zu gebären. Letzteres bedeutet den schmerzlichen und tragischen Abschied von der Vorstellung eines gesunden, „schönen“ Kindes. 6
    Die Geburt eines Kindes, das besonderer Pflege oder medizinischer Betreuung bedarf, oder dessen Lebenserwartung aufgrund einer angeborenen Erkrankung voraussichtlich stark verkürzt ist, bedeutet für die Mutter neben allen anderen Belastungen einen schmerzlichen Verlust: den Verlust der Vorstellung von einem schönen, gesunden Kind.
    Dazu kommt sehr oft, dass sich die Mutter Trauer über den Verlust ihrer Erwartungen und Wünsche verbietet – da ja jetzt besonderer körperlicher und seelischer Einsatz von ihr gefordert ist, der immer wieder die Kräfte zu überschreiten droht. Wenn ein schwer krankes oder behindertes Kind, das aufopfernd gepflegt wurde, verstirbt, wird der Mutter von ihrem sozialen Umfeld oft ein „Trauerverbot“ auferlegt. Sätze wie „Sei doch froh, das arme Hascherl, jetzt geht’s ihm besser!“, verstärken den Schmerz der
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