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Die Datenfresser

Titel: Die Datenfresser
Autoren: Constanze Kurz
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Verträge, denn das hat den entscheidenden Vorteil, daß die Kooperationspartner von MyBelovedPet damit die Besucher gleichzeitig auf ganz anderen Webseiten wiedererkennen und beobachten können.
    Obwohl die Mitglieder von MyBelovedPet eigentlich nur die Tierfreunde-Plattform angesurft haben, werden von Dutzenden anderen Servern Cookies auf den Rechnern der Besucher hinterlassen. Das geschieht meist unbemerkt, aufgrund der nur sehr kleinen Dateien fällt es den Benutzern kaum zur Last. Den Aufmerksamen unter ihnen entgeht vielleicht nicht, daß sich so Hunderte oder Tausende Cookies in nur kurzer Zeit auf dem eigenen Rechner ansammeln.
    Doch da alle großen kommerziellen Plattformen mit vielen Analyse-Firmen und Werbeanbietern kooperieren, ist eine gewisse Gewöhnung eingetreten. Alle machen es ja so, es verfolgt immer jemand den Weg durchs Netz: beim Nachrichtenlesen, beim E-Mailen über das Webportal, beim Youtube-Klicken. Nur wenige nichtkommerzielle Angebote wie zum Beispiel Wikipedia lassen einen noch unbeobachtet surfen. Inzwischen wundert sich auch niemand mehr darüber, daß ein Löschen eines Mitglieder-Accounts nirgendwo auf der Webseite angeboten wird.
    Da die Werbepartner, die Mary unter Vertrag genommen hat, bei vielen verschiedenen Webseiten die kleinen Cookie-Dateien auf den Benutzerrechnern hinterlassen, erlaubt ihnen das, das Verhalten der Surfer über all diese Webseiten hinweg genauer zu analysieren. Das geht über das bloße Zählen weit hinaus: Besuchsgewohnheiten, Kaufpräferenzen, auch Art und Einstellungen des Computers werden ermittelt und mit den im Cookie gespeicherten Identifikationsnummern verknüpft. So weiß die Vertragswerbefirma nicht nur, auf welche Buttons ein Nutzer bei MyBelovedPet geklickt hat, sie sieht auch sein Surfverhalten bei Pferdefreunde.de, Katzenbilder.com und Tierarztvermittlung.de. Das erlaubt auch eine psychologische Analyse des Nutzers.
    Dazu werden jeweils Messungen darüber erstellt, wie gut Werbemaßnahmen ankommen. Betrachtet der Beobachtete die Anzeigen beispielsweise über neunzig Sekunden, ist das Werbefilmchen oder die Animation ausgesprochen erfolgreich. Ebenfalls wichtig für zukünftige Werbekampagnen ist die Messung, wie lange Anwendern durchschnittlich Anzeigen eingeblendet werden. Dann wird das Surfverhalten beispielsweise mit Altersangaben korreliert, etwa um Minderjährige herauszufiltern, denen eine besondere Produktpalette offeriert werden soll. Umfragen, manchmal kombiniert mit Gewinnspielen, vervollständigen das Bild.
    Ist diese Analyse geschehen, werden die Werbebanner, Bilder oder Animationen in Echtzeit angepaßt. Zu dem Zeitpunkt, wo der Katzenbesitzer auf die Webseite klickt, wird sofort die auf ihn abgestimmte Werbebotschaft eingeblendet. Und egal, ob der Benutzer von MyBelovedPet gerade auf der Plattform selbst oder auf einer anderen kommerziellen Webseite unterwegs ist – ein interaktives Werbebanner für Bio-Katzenstreu folgt ihm.
    Wer die Analyse menschlichen Verhaltens kommerziell betreiben will, dem bietet das Netz paradiesische Möglichkeiten, die im realen Leben undenkbar wären: In einem Supermarkt kann niemals derart genau ermittelt werden, wohin ein potentieller Kunde während des Besuches schaut und welche konkreten Produkte ihn zu interessieren scheinen. Im Netz ist das problemlos möglich, hinzu kommen Kaufprofile und andere Informationen, die ergänzt werden können. Festgehalten wird im digitalen Raum alles: jedes angesehene Foto, jede kontaktierte Person, jede hinterlassene Nachricht des Nutzers.
    Ebenfalls erfolgt typischerweise eine geographische Analyse, die das Einblenden regionaler Produkte oder Einkaufsmöglichkeiten optimieren soll. Der Werbepartner von MyBelovedPet kann damit seinen regionalen Kunden noch mehr Möglichkeiten bieten: So kann etwa die Pferdehalterin aus Süddeutschland, die neue Benutzerin von MyBelovedPet ist, vom Besitzer von Mietställen ganz gezielt beworben werden. Auf allen kooperierenden Webseiten springen ihr die passend individualisierten Werbebanner entgegen.
    Mary möchte am Milliardenmarkt des sogenannten Behavior targeting noch intensiver mitmischen. Deshalb hat sie in einem zweiten Schritt bereits erwogen, einigen Werbepartnern gegen zusätzliche Bezahlung auch inhaltliche Informationen aus der Plattform MyBelovedPet anzubieten. Falls die Benutzer ihre Zustimmung geben, sollen die Angaben aus den Benutzerprofilen, die Nachrichten in den angebotenen Foren und die preisgegebenen
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