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Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Titel: Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
Autoren: Jan Barbara u Heidtmann Nolte
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Jahr nahm er meist das Flugzeug in die entgegengesetzte Richtung: nach New York, an die Wallstreet, das Epizentrum der Krise.

    Warum sind Sie Investmentbanker geworden?
    Große Fusionen und Firmenübernahmen oder Kapitalmarkttransaktionen wie im Fall Vodafone oder Mannesmann mit durchzudenken sowie die zugrundeliegenden Strategien zu entwickeln hat mich begeistert.
    Sie wollen die Welt nach Ihrer Vorstellung formen.
    Ich will etwas verändern …
    … im Großen …
    Was heißt groß? Ich bin sicherlich ehrgeizig. Als ich das Angebot von Goldman Sachs bekam, spielten bei meiner Entscheidung, wie bei allen meinen Berufsentscheidungen, mehrere Aspekte eine Rolle. Erstens: Ich wollte immer einer exzeptionellen Organisation angehören, das gebe ich zu …
    … einer Elite …
    … nein, ich meine es wörtlich: exzeptionell, außergewöhnlich. Ich wollte an exzeptionellen Aufgaben arbeiten und mit außergewöhnlichen Leuten zu tun haben, von denen ich lernen kann. Man könnte jetzt sagen: Da hättest du auch zur katholischen Kirche gehen können. Die Missionierung der Welt ist eine exzeptionelle Aufgabe, und der Papst ist sicher eine außergewöhnliche Person. Doch abgesehen davon, dass ich nicht katholisch bin, hätte das wohl nicht meinem Naturell entsprochen, da diese Zielsetzung doch sehr abstrakt erscheint und ich zu sehr Pragmatiker bin. Mir geht es in erster Linie um folgende Fragestellungen: Kann ich mich fachlich weiterentwickeln? Liegt mir der Lebens- und Arbeitsstil, den der Job erfordert: beispielsweise die transaktionsbezogene Projekt- und Teamarbeit oder auch die Geschwindigkeit der Ereignisse im Investmentbanking? Und als Letztes natürlich auch: Gelingt es mir, in dem Beruf einen ökonomischen Mehrwert zu erzielen?
    Sie wollten Geld verdienen.
    Ja, das gebe ich zu.
    Richtig viel Geld.
    Was heißt richtig viel Geld? Ich komme aus einem materiell nicht besonders gut ausgestatteten Haus. Mein Vater war ein hochintelligenter Mensch, den ich für seine umfassende intellektuelle Leistungsfähigkeit sehr bewundert habe; dennoch: Andere verdienten ein Vielfaches. Ich habe gedacht: Das kann doch nicht sein, man ist schlauer als viele, aber es zahlt sich offensichtlich nicht aus.
    Haben Sie das als Zurücksetzung empfunden?
    Ja, für meinen Vater. Es war nicht so, dass wir zu Hause Not gelitten hätten. Aber wir mussten sicherlich mehr materielle Einschränkungen hinnehmen als viele meiner Mitschüler. Schon als Jugendlicher hatte ich eine Vorstellung von der Leistungsgesellschaft. Und auch wenn diese etwas naiv gewesen sein mag, unsere Situation entsprach meiner Vorstellung von dieser Leistungsgesellschaft in keiner Weise. Mein Vater war in seinem Fachgebiet sicher eine Kapazität, was sich ökonomisch aber in keiner Weise niederschlug. Für die Artikel oder Rezensionen, die er als Musikwissenschaftler schrieb, bekam er umgerechnet einen schlechteren Stundenlohn als den heutigen Mindestlohn. Nun kann man sich natürlich über die Ungerechtigkeit der Welt beklagen oder aber versuchen, die gegebenen Realitäten zu akzeptieren und, wenn Sie so wollen, für sich zu nutzen – auch wenn Sie diese für ungerecht halten.
    Sie haben dann Medizin studiert.
    Für mich war das Studium aufgrund des Fächerkanons eine Art Studium generale. Erst danach steht die Pathologie, also die Beschäftigung mit der Krankheit, im Vordergrund. Insofern war es am Anfang sicher nicht die gefühlte Berufung zum »Arzt«, wie man dies oftmals liest oder hört, sondern vielmehr ein generelles Interesse. Und die Beschäftigung mit Naturwissenschaften und dem Menschen sowie seinen Krankheiten erschien mir einen hohen Erkenntnisgewinn zu garantieren. Wie gesagt, die Berufung zum Heilen und Helfen stand bei mir nicht so sehr im Vordergrund. Sicher spielten auch die Abiturnote und der damals geltende harte Numerus Clausus eine gewisse Rolle, in Kombination ermöglichten sie einem Abiturienten aufgrund seiner Leistung Zugang zu einem knappen Gut, eben einem Medizinstudienplatz. Nebenbei bemerkt, ist dies, im Nachhinein betrachtet, bildungspolitisch eine absolute Fehlsteuerung gewesen. Das System führte zu einer Fehl- bzw. Überallokation von guten Abiturienten auf das Medizinstudium.
    Sie arbeiteten als Chirurg, ein Beruf, der im Vergleich zu Ihrem jetzigen kaum gegensätzlicher sein könnte: Chirurgie ist handwerklich und konkret, das Investmentbanking dagegen hoch abstrakt.
    Meines Erachtens handelt es sich beim Investmentbanking um eine klar
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