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Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen
Autoren: Liz Jensen
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dieses Namens würdig ist.
    Feste Abläufe helfen dabei. Und Planung.
    Per Telefon bestelle ich Vorräte. Samen und Knollen, die ichpflanzen werde, eine Auswahl an Tierfallen, ein Gewehr, um Kaninchen und Rehe zu schießen, einige Säcke mit Saatgut, einen ansehnlichen Vorrat an Konserven. Ein Mann, der keine Fragen stellt, liefert genau zum richtigen Zeitpunkt eine Kiste am Tor ab. Im Frühjahr werde ich seine Dienste nicht mehr brauchen. Auf der Insel leben drei wilde Gruppen, hat er erzählt. Lauter einheimische Kinder. »Und die beschützen wir.« Es war als Warnung gemeint – er hatte das Gewehr gesehen –, doch ich war erleichtert. Immerhin droht Freddy von den einheimischen Erwachsenen keine Gefahr.
    Es gibt kein Internet mehr und kaum mehr Medienberichte, seit das Militär das Festland übernommen hat. Natürlich sind die Verhältnisse dort weitaus schlimmer als hier. Das erfahre ich gelegentlich, wenn das Telefon funktioniert und Ashok anruft. Er klingt wütend und verunsichert. Er ist frustriert, weil es für einen Mann, der eine Geschäftsidee von allen Seiten wie durch ein Prisma beleuchten konnte, keinen Platz mehr gibt. Die Tatsache, dass Kapitalismus zum Schimpfwort verkommen ist, macht ihn wütend. Er wird seinen Platz finden, da bin ich mir sicher. Fragt sich nur, ob es der Platz ist, den er sich erhofft hat. Es falle ihm »verdammt schwer, neue Ziele zu finden«, sagt er. »Hier läuft es beschissen, nur gut, dass du weg bist. Halt dich ruhig, sieh zu, dass Freddy in Sicherheit ist, und sitz das Ganze aus. Die Angriffe durch Kinder nehmen ab, aber die Sabotage, die nimmt wirklich zu, Mann. Und die Kinderlager sind voll. Niemand will wissen, was dort vorgeht. Oder welche Medikamentenkombination man gegen das sogenannte Böse einsetzt. Oder welche Wirkung sie hat. Und was in China passiert, will man schon gar nicht wissen. Egal, pass auf dich auf, Kumpel. Hast du gehört, dass Steph die Stelle vom alten Whybray übernommen hat? Lass uns in Kontakt bleiben.«Ich habe den Tod des Professors noch immer nicht verarbeitet. Vielleicht werde ich das auch nie. Täglich, manchmal auch stündlich, kehrt der Gedanke an seine blutige Leiche zurück, die mit geöffnetem Mund auf dem Fußboden der Einrichtung liegt. Das Bild ist so detailliert, dass ich bei jedem Detail die genaue Farbschattierung benennen könnte.
    In meiner Schreibtischschublade, auf den Origami-Bögen, die ich nach den Anleitungen von Robert J. Lang vorgefaltet habe, liegt das Notizbuch des Professors. Manchmal muss ich seine Worte wieder und wieder lesen. Bisweilen aber bin ich nicht in der Stimmung, weil seine Überlegungen ebenso anspruchsvoll und komplex sind wie Langs Faltungen. Dann arbeite ich stattdessen mit Papier. Ich kann mich so darin vertiefen, dass ich nicht merke, wie die Stunden vergehen. Das ist gut.
    Später im Bett versuche ich einen Sinn in dem zu finden, was er geschrieben hat, während meine ruhelosen Beine kilometerweit laufen.

    Die menschliche Geschichte ist ein Schwerlaster. Wenn sie die Richtung ändern soll, muss sie zuerst zum Stillstand kommen. Falls unsere Besucher glauben, dass die Zerstörung der Welt, die wir errichtet haben, eine Bedingung für die weitere Existenz der Menschheit auf diesem Planeten darstellt, dürfen wir uns nicht über ihre brutale Besatzung wundern. Sie ist notwendig.
    Seine Handschrift ist ordentlich und akkurat: die Handschrift eines Menschen, der nicht vom ständigen Gebrauch einer Tastatur verdorben ist.

    Die Menschen glauben, Geister stammten aus der Vergangenheit. Das hat auch Sunny Chen in seiner Aussagegegenüber Hesketh geäußert: »Wir denken, sie stammen aus der Vergangenheit. Wir denken, sie wären alle tot. Aber sie sind am Leben. Und manche von ihnen wurden noch nicht einmal geboren. Sie sind Reisende. Sie gehen, wohin sie wollen.«
    Woher also stammt diese Besatzungsmacht? Und worin besteht ihre Mission?
    Hesketh fragt sich, welche Mythologie die Betroffenen nachspielen. Das aber führt zu der Frage, ob sie überhaupt etwas Vergangenes nachspielen. Und warum sollten wir davon ausgehen, dass es sich um »Mythologie« handelt?
    Er schreibt noch viel mehr in der Art. Vieles davon ist äußerst spekulativ und emotional. Die Vorstellung einer »hypothetischen Welt«, die er an jenem Tag in Ashoks Büro postulierte, wird noch viel weiter geführt. Genau wie ich interessierte sich der Professor für die Neutrino-Experimente – welcher Wissenschaftler täte das nicht –, doch
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