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Die Cromwell Chroniken 02 - Grabes Hauch

Die Cromwell Chroniken 02 - Grabes Hauch

Titel: Die Cromwell Chroniken 02 - Grabes Hauch
Autoren: Christina Förster
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sehr auf einen Sohn gefreut hatte.
    Schätze, die Freude ist ihm wohl schnell vergangen , dachte der Geisterseher grimmig. Ein Baby, das ständig schrie, weil es grässliche Dinge sah und für die Eltern nichts Erkennbares hatte. Ein Kleinkind, das sich nicht beruhigen ließ, weil die Eltern, die es auf den Arm nahmen, gerade von Würmern zerfressen wurden. Ein Teenager, der sich von allen Mitschülern fernhielt, weil ihr Anblick zu schrecklich war, um ihn zu ertragen. Stattdessen hatte er lieber alleine in seinem Zimmer gesessen und Computerspiele gespielt.
    Flint gehörte zu den wenigen Begabten, die ihre Fähigkeiten bereits im Kindesalter erhalten hatten. Dies glich in seinem Fall jedoch eher einem Fluch als einem Segen. Er hatte den „Blick der Wahrheit“ mit in die Wiege gelegt bekommen. Das war eine geschönte Bezeichnung dafür, dass er den Lauf der Zeit an Lebewesen beschleunigt wahrnahm. Sie verwesten vor seinem inneren Auge. Als junger Erwachsener fiel es ihm immer noch schwer, damit umzugehen, doch als Kind war es ihm ein unsagbares Grauen gewesen. Nur ein einziges Mal hätte er gerne das Gesicht seiner Mutter gesehen wie jedes andere Kind auch.
    Darüber hinaus war es ihm vergönnt, Geister zu sehen. Da sich diese meist mit einem intakten Äußeren präsentierten, war ihm deren Anwesenheit oft lieber gewesen als der seiner Verwandten. An dem Umgang mit Gleichaltrigen war gar nicht erst zu denken.
    Wer will schon so ein Kind haben?
    Sein Vater gewiss nicht. Das hatte er mehr als einmal deutlich gemacht. Flint fragte sich, wie Sir Fowler es fertiggebracht hatte, dass sein Vater ihm überhaupt erlaubte, zu den seltenen Wochenendbesuchen und in den Semesterferien heim zu kommen. Der Geisterseher wusste, dass er nicht mehr willkommen war.
    Was hat Fowler gesagt? Oder hat er etwas getan? Womöglich ein Zauber? Doch der Gedanke war zu absurd. Wenn es jemanden gab, der Magie nicht zu seinem eigenen Vorteil einsetzen würde, dann gewiss Sir Fowler. Er musste Ernst Maienbach, Flints Vater, anders dazu gebracht haben.
    Hat er ihn erpresst? Aber womit?
    Flint kam zu keiner befriedigenden Lösung.
    Warum will er das überhaupt? Was hat Fowler davon, wenn ich immer wieder zurück gehe? Koste ich Cromwell zu viel, wenn ich jedes Wochenende hier lebe und esse? Vielleicht könnte ich finanziell etwas beisteuern und dann dort bleiben?
    Doch Flint hielt diesen Grund für unwahrscheinlich. Cromwell finanzierte vielen sozial Schwachen den Aufenthalt in dieser teuren Bildungsstätte. In seinem Fall komplett. So ein Essen am Wochenende trieb den Betrag sicher nicht in die Höhe.
    Bringt nichts, zu grübeln. Ich komme nicht drauf.
    Vermutlich hätte er Sir Fowler ganz einfach fragen können, doch dazu fehlte ihm der Mut. Er wollte über seine Familie so wenig wie möglich sprechen. Nicht mit seinen Kommilitonen und nicht mit den Professoren. Mit keiner Seele.
    Manchmal bereute es Flint, nach Cromwell gekommen zu sein.
    In der Psychiatrie hatte ich zumindest meine Ruhe.
    Man zeigte nicht mit dem Finger auf ihn und sagte, er sei verrückt. Die Patienten nicht, weil sie es nicht wahrnahmen, und die Angestellten nicht, weil sie laut Akte den diagnostizierten Befund kannten. Nicht, dass er in Flints Fall stimmte, doch das war unerheblich.
    Der Geisterseher ging in Gedanken ein halbes Jahr zurück.
    Meine Güte, ist das wirklich schon so lange her? Ein halbes Jahr? Sechs ganze Monate?
    Damals hatte ihm ein Pfleger mitgeteilt, dass jemand gekommen sei, um ihn zu sehen. Flint sah es wieder ganz klar vor sich:
    Wirklich? Wer sollte mich besuchen , dachte der junge Mann.
    Der Pfleger brachte ihn in einem separaten Raum – das Besucherzimmer. Der Raum wirkte zivilisierter als der Rest der Einrichtung. Das kam wohl daher, dass sich keine anderen Patienten hier aufhielten. Der Pfleger sagte ihm, dass er sich an den Tisch setzen solle, und verschwand. Flint ließ sich auf den Stuhl fallen und rieb sich die Stirn. Sein Kopf schmerzte. Er vertrug das neue Medikament nicht, doch der Arzt hatte darauf bestanden.
    Die Tür öffnete sich und ein älterer Herr betrat den Raum. Nach einer kurzen Vorstellung nahm er Flint gegenüber Platz.
    Wie alt ist der wohl? Womöglich sechzig? Er sieht aus, als hätte er noch ein paar Jahre bis zur Pensionierung. Und …
    Der Gedanke war Flint bereits entglitten. Er verzog das Gesicht, kniff die Augen zusammen und drückte sich die rechte Faust an den Kopf.
    Denk! Denk nach!
    Doch seine innere Stimme war
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