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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen
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und Hitch, der nicht wusste, wie man »Liebe« buchstabierte.
    Habe ich (wie mich viele gefragt haben) die Zerstörung des Kuin von Wyoming gesehen? War ich Zeuge seines feurigen Zusammenbruchs? Habe ich das Gleißen gesehen und habe ich die Hitze gespürt?
    Nein. Aber als ich die Augen wieder aufmachte, regnete es Stücke des Chronolithen – wo ich auch hinsah. Stücke so groß wie Kieselsteine, Schmelze aus der Gluthitze des Fiaskos, rehabilitierte Materie, die zu glasigen blauen Tränen erstarrt war.

 
SECHS +
ZWANZIG
     
     
    Der Zusammenbruch des Chronolithen setzte eine Unmenge an Energie frei, eine ringförmige Druckwelle fegte in alle Himmelsrichtungen – mehr Wind als Wärme, aber sehr viel Wärme; mehr Wärme als Licht, aber Licht so hell, dass es blind machte.
    Der Blocksteinschuppen büßte sein Dach ein und die Nord- und die Westwand. Ich wurde ins Freie geschleudert und fand mich, als ich aufwachte, ein paar Meter von den Ruinen entfernt.
    Ich muss wohl eine Zeit lang nicht ganz beieinander oder noch nicht voll bei Bewusstsein gewesen sein. Mein erster Gedanke galt Sue, doch Sue war nirgends zu sehen. Nirgends zu sehen war auch Adam Mills, nirgends auch seine Leute und die Motorräder – obwohl ich (später) im Gestrüpp eine verwaiste Daimler fand, die sich überschlagen hatte, mit aufgerissenem Tank. Nicht weit davon einen Helm und eine zerfetzte Ausgabe des Fifth Horseman.
    Ob ich glaube, dass Sue sich im Chaos nach der Explosion den Kuinisten gestellt hat? Ja, das glaube ich. Die Druckwelle hatte wohl kaum jemanden umgebracht, der sich im Freien aufhielt. Für meine Gehirnerschütterung und die verrenkte Schulter war in erster Linie der Steinschuppen verantwortlich und nicht die Druckwelle. Und Sue hatte in der Türöffnung gestanden, die auch jetzt noch intakt war.
    Ich fand Hitch und Ray; sie waren zwar nicht völlig von den Trümmern begraben worden, aber es war kein Funken Leben mehr in ihnen.
    Ich mühte mich stundenlang, die beiden mit dem unversehrten Arm freizulegen, bevor ich einsah, dass ich es nicht schaffen konnte. Ich gab auf. Dann barg ich aus dem Van, der mit dem Fahrwerk nach oben lag, ein paar Notrationen. Ich würgte an dem Trockenzeug, brachte aber wenigstens ein paar Bissen hinunter.
    Als ich mein Handy ausprobierte, gab es nur ein Prasseln von sich und ein »NO SIGNAL« zog über das Display, die Buchstaben verzerrt, als spüle die Flut darüber.
    Die Sonne ging unter. Der Himmel wurde indigoblau, dann dunkel. Am westlichen Horizont, da wo der Chronolith gestanden hatte, loderten Buschfeuer.
    Ich machte kehrt und ging in die andere Richtung.

 
SIEBEN +
ZWANZIG
     
     
    Neulich habe ich zwei weltbekannte Orte besucht: den Wyoming-Krater und die Schiffswerften von Boca Raton in Florida. Der eine ein See, belastet mit Erinnerung; der andere das Tor zu den Sternen.
    Und…
    Nein. Erst das noch.
     
    Bevor ich es nach Minneapolis schaffte, hatte man Ashlee wieder aus dem Krankenhaus entlassen.
    Ich selbst war auch im Krankenhaus gewesen, oder besser in der Notaufnahme einer kleinen Klinik in Pine Ridge.
    Ich war drei Tage mit einer Kopfverletzung durchs Hinterland von Wyoming gepilgert: Sonne und Hunger hatten mich so zugerichtet, dass ich die drei Stufen nicht mehr hinaufkam. Den linken Arm trug ich in einer Schlinge.
    Ashlee hatte es, weiß Gott, schlimmer erwischt.
    Ashlee hatte mich natürlich gewarnt, aber auf das, was ich zu sehen bekam, als ich die Wohnung aufschloss und sie mich ans Bett rief, darauf war ich nicht gefasst gewesen.
    Die Verbrennungen und Blutergüsse am Körper wurden vom schneeweißen Bettzeug bedeckt. Aber beim Anblick ihres Gesichts fuhr ich zusammen.
    Ich werde jetzt nicht ins Detail gehen. Ich sagte mir, dass alles heilen würde, dass sich das Blut in den Prellungen verziehen und die geplatzte Haut rings um die Nähte verheilen und Ash schon bald wieder die Augen ganz aufbekommen würde.
    Sie sah mich aus purpurroten Schlitzen an. »So schlimm?«, sagte sie.
    Es fehlten ihr einige Zähne.
    »Ashlee«, sagte ich, »es tut mir ja so Leid.«
    Sie küsste mich trotz ihres Zustands und ich hielt sie trotz meines Arms.
    Jetzt begann Ash sich zu entschuldigen. Sie hatte Angst gehabt, ich würde ihr nicht verzeihen, dass sie schließlich zu Kreuze gekrochen war und Adam Mills verraten hatte, wo ich zu finden war. Gott ist mein Zeuge, dass ich Abbitte leisten wollte, weil ich sie in diese Lage gebracht hatte.
    Doch ich legte meine Finger unendlich behutsam
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