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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen
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gibt.
     
    »Wir wollen nur die Lady«, rief Adam Mills aus kurzer Entfernung.
    Die Stimme klang scharf und hoch. War in gewisser Weise eine Parodie auf Ashlees Stimme. Allerdings ohne Wärme und Einfühlungsvermögen.
    (»Wir haben schon merkwürdige Zeiten hinter uns«, hatte Ash einmal gesagt. »Deine verrückte Mutter. Mein verrückter Sohn.«)
    »Welche Lady soll das sein?«, rief Hitch zurück.
    »Sulamith Chopra.«
    »Ich bin der Einzige hier.«
    »Ja, ich glaube, ich kenne die Stimme. Mr. Paley, nicht wahr? Jaja, ich erinnere mich. Haben Sie nicht zuletzt geschrien?«
    Hitch verkniff sich die Erwiderung, aber ich sah ihn die linke, verstümmelte Hand zur Faust ballen.
    »Schicken Sie sie raus und Sie sind uns los. Hören Sie mich, Ms. Chopra? Sie haben nichts zu befürchten.«
    »Erschießen sie ihn«, zischelte Ray. »Erschießen Sie den Scheißkerl.«
    »Ray, wenn ich ihn erschieße, dann jagen die uns eine Rakete ins Fenster. Das tun sie vielleicht sowieso.«
    »Lasst mal gut sein«, sagte Sue unerwartet und besonnen. »Alles nicht nötig. Ich gehe.«
    Was Hitch und Ray schockierte, mich dagegen weniger, denn ich begann zu ahnen, was sie im Sinn hatte.
    »Ich höre wohl nicht richtig«, schnaubte Hitch. »Sie haben ja keine Ahnung – das sind Söldner. Schlimmer noch, die haben eine Pipeline direkt nach Asien. Die würden keine Sekunde zögern, Sie meistbietend an irgendeinen Möchtegernkuin zu verkaufen. In deren Augen sind Sie Ware.«
    »Ich weiß, Hitch.«
    »Teure Ware, und das aus gutem Grund. Wollen Sie wirklich ihr ganzes Wissen einem chinesischen Warlord zur Verfügung stellen? Eigenhändig erschießen würde ich Sie, wenn ich wüsste, dass Sie das vorhaben.«
    Sue wirkte so ruhig wie ein Märtyrer auf einem mittelalterlichen Gemälde. »Aber genau das habe ich vor.«
    Hitch sah beiseite. Sein Kopf hob sich deutlich vom hellen schmalen Rechteck des Fensters ab. Wenn Adam Mills gewollt hätte, er hätte ihn mit einem gut gezielten Kopfschuss töten können.
    Ray war entsetzt. »Sue, nein«, und dann wurde alles für einen zerbrechlichen Augenblick zum Standbild: Hitch mit offenem Mund, Ray außer sich. Sue warf mir einen raschen und vielsagenden Blick zu.
    Unser Geheimnis, Scotty. Hüte es wie deinen Augapfel.
    Hitch sagte: »Ist das Ihr Ernst?«
    »Das ist mein Ernst.«
    Er nahm die Mündung seiner Waffe aus dem Fenster.
     
    Der Schuppen, in dem wir festsaßen, stammte vermutlich aus einem der zyklischen Ölbooms in Wyoming; vielleicht hatte er Bohr- und anderes Gerät vor Regen schützen sollen – obwohl es hier nicht viel zu regnen schien. Auf dem Betonboden lag alles herum, was der Wind in fünfzig oder fünfundsiebzig Jahren durch die Öffnungen geweht hatte: Staub, Sand und die verdorrten Reste von Pflanzen, Schlangen und Vögeln.
    Hitch stand an der Westwand, wo die Blocksteine fleckig und erodiert waren. Sue und Ray standen in der Nordwestecke, und ich stand Hitch gegenüber an der Ostwand.
    Trotz des strahlend hellen Morgens war es düster hier drinnen; und auch ein bisschen kühler als draußen in der trockenen Prärieluft; was sich ändern würde, sobald die Sonne hoch genug stand, um das Blechdach aufzuheizen. Durchzug trug Staub und den Geruch von Schimmel und Moder in die Nase.
    Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Die morschen Deckenbalken und das schräg durchs leere Fenster fallende Licht und der vertrocknete Salbeistrauch draußen vor der Türöffnung und der glänzende Schweißfilm auf Hitch Paleys Stirn, als er – nur zögernd zwar – mit der Pistole auf Sue zielte.
    Sue war blass. Ihre Halsvene pulsierte, aber sie blieb ruhig.
    »Nimm die Kanone runter«, sagte Ray.
    Ray sah mit seinem struppigen Bart und den Schweißrändern im T-Shirt wie ein Akademiker mittleren Alters aus, der gleich Amok laufen würde. In seinen Augen lag ein irrer Glanz. Doch ich fand es bewundernswert, wie wild entschlossen er seinen Widerstand bekundete, eine grimmige, wenn auch zerbrechliche Courage.
    »Ich meine es ernst«, sagte Hitch. »Sie setzt keinen Fuß nach draußen.«
    »Ich muss«, sagte Sue. »Tut mir Leid, Ray, aber…«
    Sie hatte einen einzigen Schritt getan, als Ray sie in die Ecke zurückstieß und mit seinem Körper einsperrte. »Keiner geht hier irgendwohin!«
    »Willst du sie bis zum jüngsten Tag da festhalten?«, fragte Hitch.
    »Nimm die Kanone runter!«
    »Ich kann nicht, Ray, du weißt, dass ich es nicht kann.«
    Und jetzt hob Ray seine Waffe. »Hör auf, sie zu
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