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Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Titel: Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser
Autoren: David B. Coe
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ein Teil der Versammlungen wie die Eröffnungsprozession, ebenso ein Teil von Sonels Pflichten, wie die Magier zur Ordnung zu rufen. Sie erinnerte sich immer noch gern an ihre eigenen Gespräche mit Jessamyn, als sie einfach nur eine Magierin und Jessamyn das Oberhaupt des Ordens gewesen war, und sie fragte sich, ob die kleine, zierliche weißhaarige Frau damals hinter all ihrer herzlichen Gastfreundschaft auch so schwer daran gearbeitet hatte zu verbergen, wie sehr ihre Verantwortung auf ihr lastete. »Aber selbstverständlich war das so«, sagte Sonel laut und streckte den Arm nach ihrer dunklen Eule aus. »Wieso bilde ich mir ein, dass es bei ihr anders war?« Der Vogel flog zu ihr, sprang auf ihre Schulter und sah sie schweigend an. Noch ein Klopfen, diesmal ein wenig lauter.
    »Ja, Basya«, rief Sonel mit gezwungener Fröhlichkeit. »Komm herein.«
    Die junge Frau öffnete zögernd die Tür und schien überrascht zu sein, dass Sonel vom Sessel aufgestanden war. »Es tut mir Leid, wenn ich dich störe, Eulenweise, aber es sind Besucher da.«
    Sonel lächelte. Immerhin tat das Mädchen nur seine Arbeit. »Du störst mich nicht, Basya. Bitte führe sie herein.« »Sofort, Eulenweise.«
    Sonel sah, wie das Mädchen sich umdrehte und jemandem winkte, hörte Stimmen näher kommen, und dann erinnerte sie sich an das Stück makellosen Papiers, das sie immer noch in der Hand hatte. Rasch und unauffällig verbarg sie den Brief des Herrscherrats in den Falten ihres Umhangs. Im Lauf der Versammlung würde noch viel Zeit für solche Angelegenheiten sein. Das hier war ein Tag für Begrüßungen und das Erneuern von Freundschaften. Als ihre ersten Gäste schon in der Tür standen, fiel ihr jedoch etwas ein: Wenn ein Brief nicht die Aufmerksamkeit der Anführer von Lon-Ser erregte, dann würde es vielleicht eine Gruppe von Botschaftern tun.

2
     
    E s wird kaum überraschen, dass die Regierungsstruktur von Bragor-Nal erheblich komplizierter ist als alles, was wir hier in Tobyn-Ser kennen. Tatsächlich könnte man sie bestenfalls mit dem Landpachtsystem, das sich unter den Potentaten von Abborij entwickelt hat, vergleichen. Sowohl in Bragor-Nal als auch in Abborij führt eine einzelne Person - Baram benutzte den Begriff »Herrscher« - eine komplizierte Hierarchie von Oberlords, so genannten Nal-Lords und schließlich deren Untergebenen und Mietlingen an. Und ebenso wie die Potentaten ermutigen der Herrscher von Bragor-Nal und vermutlich auch die Herrscher der beiden anderen Nals den Wettbewerb unter ihren Untergebenen und profitieren davon. An dieser Stelle findet die Ähnlichkeit allerdings auch schon ein Ende. Denn während bei der Landpachtstruktur von Abborij Wohlstand durch Ackerbau und Viehzucht geschaffen wird und dieses System seine Stabilität durch Verehrung und Tribute erhält, bereichern sich die Anführer der Nals durch Korruption und Erpressung, und sie schützen ihren Status teils mit gewaltsamer Einschüchterung und Vergeltung.
    Aus Kapitel Fünf des »Berichts von Eulenmeister Baden über seine Verhöre des Ausländers Baram«, vorgelegt auf der 1014. Versammlung des Ordens der Magier und Meister, im Frühjahr des Gottesjahres 4625.
     
    Melyor sah sich in der Bar um und verbarg ihren scharfen Blick hinter einer lässigen Haltung und einer gleichmütigen Miene. In einem anderen Teil des Nal, nur ein paar
    Blocks von hier, hätte das niemanden getäuscht, und jeder Mann und jede Frau, denen sie begegnet wäre, wären schon bei ihrem Blick zurückgezuckt. Aber hier, wo niemand sie kannte, wurde Melyor leicht zu einem Teil ihrer Umgebung, ebenso wie die in den Ecken zusammengesackten Betrunkenen oder die alten, schmutzigen Leuchtschilder, die über der Theke hingen, an der sie saß. Es half selbstverständlich auch, dass sie die halb durchsichtigen, bunten Tücher eines Uestra-Mädchens trug, in Lila und Blau, passend zu den Amethyst-Ohrsteckern und den Saphirlinsen, mit denen sie ihre Augenfarbe - ein helles Grün - geändert hatte.
    Die Gäste hier waren offenbar die typische Mischung; Melyor hätte wahrscheinlich in jeder anderen Bar im Vierten Bezirk des Nal dieselbe Versammlung von Uestras, Gesetzesbrechern und Dummköpfen finden können. Nur, dass sie in ihrem Terrain nicht nach Savil Ausschau gehalten hätte. Ebenso wenig wie er in seinem nach ihr. Melyor verkniff sich ein Lächeln und schaute sich ihre Umgebung noch einmal an. Die Betrunkenen würden sicher kein Problem darstellen, und die meisten
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