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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin
Autoren: Petra Durst-Benning
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holte tief Luft. Raymond hatte recht, ihre Aufregung war wirklich albern. Sie zwang sich, den Blick ein wenig schweifen zu lassen, statt nur stur geradeaus zu schauen. Wie schön die Hunderte von Kerzen funkelten! Dazu der herrliche Blumenschmuck aus tiefroten Rosen, der Duft teuerster Parfüms – alles war so opulent, so prächtig! Bestimmt erwartete sie außerdem eine interessante Tischrunde, und die königliche Hofküche würde allerlei Köstlichkeiten auffahren. Einen solchen Abend erlebte man nur einmal in seinem Leben, umso mehr Mühe sollte sie sich geben, auch wirklich jede Minute zu genießen. Und wenn am Ende noch ein kleiner Auftrag fürs Weingut heraussprang – umso besser.
    Gestärkt durch ihren Vorsatz, folgte Isabelle Raymond in Richtung der diversen Säle, in denen das Diner stattfinden sollte. Sie hatte an Raymonds Arm den langen Gang erst zur Hälfte durchquert, als sich ihr Schritt schlagartig verlangsamte.
    »Was ist?«, murmelte Raymond, der ihr Zögern sogleich bemerkte.
    »Dort vorn, an der Tür zu dem halbrunden Balkon …« Isabelle fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, die plötzlich so trocken waren, dass sie kaum mehr ein Wort herausbrachte. »Da stehen meine Eltern.«
    Raymond folgte ihrem Blick. »Wie schön«, sagte er lächelnd. »Dann lassen Sie uns doch guten Abend sagen.« Sacht, aber beharrlich beschleunigte er seinen Schritt wieder.
    »Isabelle!« Fassungslos starrte Jeannette Herrenhus ihre Tochter an. »Was machst denn du hier?«
    Jede andere Mutter hätte ihre Tochter spontan umarmt, ihr vielleicht sogar einen Kuss auf die Wange gedrückt. Doch Jeanette Herrenhus reichte Isabelle lediglich steif die behandschuhte Hand. Noch immer die unterkühlte Schönheit von einst, dachte Isabelle und verspürte einen Anflug tiefer Trauer.
    »Ich habe gehört, dass du verwitwet bist. Mein Beileid«, sagte Moritz Herrenhus statt einer Begrüßung und hörte sich gar nicht mitleidig an. »Aber wie ich sehe, hast du schon Ersatz gefunden«, ergänzte er, während er Raymond Dupont unverhohlen taxierte. »Magst du uns nicht vorstellen?«
    Wie konnte ihr Vater nur so roh und gemein sein? Am liebsten wäre Isabelle wortlos weitergegangen, doch Raymond blieb wie angewurzelt stehen. Er schien bestrebt, die Begegnung kultiviert hinter sich zu bringen. Isabelle blieb nichts anderes übrig, als seinem Beispiel zu folgen.
    »Darf ich vorstellen – Monsieur Raymond Dupont, Jeannette und Moritz Herrenhus, meine Eltern«, sagte sie gepresst. Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, ihren Eltern von Margerite zu erzählen, doch dann entschied sie sich dagegen. Ein behindertes Kind – sie konnte sich Moritz Herrenhus’ abfällige Bemerkungen gut vorstellen.
    Raymond wandte sich Isabelles Mutter zu. Er gab ihr einen formvollendeten Handkuss und sagte: »Bisher dachte ich immer, es sei der liebe Gott gewesen, der Isabelle ihre Schönheit geschenkt hat. Nun weiß ich es besser, es war ein Engel.«
    Täuschte sie sich, oder wurde ihre Mutter tatsächlich rot? Und wie affektiert sie auflachte, dachte Isabelle peinlich berührt.
    Jetzt schüttelten sich die beiden Männer die Hände, während Moritz Herrenhus Raymond mit einem fast beifälligen Blick bedachte.
    Moritz Herrenhus räusperte sich. »Wer hätte gedacht, dass wir uns ausgerechnet im Berliner Schloss wiedersehen? Aber nun, wo der Fall eingetreten ist, sollten wir das Beste daraus machen und den Abend gemeinsam verbringen.« Sein Blick war so bestimmt wie ehedem, es war offensichtlich, dass er Isabelles Zustimmung erwartete. An Raymond gewandt, sagte er wichtigtuerisch: »Wir sitzen im Gelben Salon. Ich kenne den Herrn Zeremonienmeister recht gut, wenn Sie einverstanden sind, könnte ich ihn bitten, die Tischordnung noch zu ändern, so dass wir zusammensitzen können.«
    Isabelle erschrak. Alles, bloß das nicht! Im nächsten Moment schon spürte sie Raymonds beruhigende Hand auf der ihren.
    Raymond lächelte. »Eine schöne Idee, aber bitte sehen Sie uns nach, dass wir Ihren Vorschlag ablehnen müssen. Wir sitzen im goldenen Hauptsaal. Am Tisch des Kaisers.«
    »Danke nein – wir sitzen am Tisch des Kaisers!« Isabelle ahmte Raymonds gewichtigen Ton nach. Ihre Augen funkelten voll diebischer Freude. »Den Blick meines Vaters vergesse ich nie! Am liebsten hätte ich mich umgedreht, um ihn noch einmal zu sehen. Aber dass wir die beiden einfach stehen ließen, war zugegebenermaßen die elegantere Variante.« Isabelle kicherte ausgelassen.
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