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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin
Autoren: Beate Sauer
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der Bote ihn zwei Tage zuvor in Salerno benachrichtigt hatte, war er schon überrascht gewesen, dass er seinen Auftrag in der Burg des Kaisers erhalten sollte. Dennoch hätte er niemals damit gerechnet, dass Friedrich selbst ihn damit betrauen würde.
    Als er den lichtdurchfluteten Saal im Obergeschoss der Burg betrat, saß ein blonder, mittelgroßer Mann auf einer der marmornen Fensterbänke. Selbst da hatte Roger noch einen Moment lang gezweifelt, dass dies wirklich der Staufer war. Der Kaiser beachtete ihn nicht. Er schaute durch die hohe Fensteröffnung und beobachtete einen Vogel, der über den blauen Herbsthimmel zog. Obwohl Roger erschrocken war, dem Herrscher des Abendlandes so unvermittelt gegenüberzustehen, und obwohl er wusste, dass er den Blick hätte niederschlagen und das Knie beugen müssen, blieb er wie gebannt stehen. Vor fünfzehn Jahren, damals war er ein zehnjähriger Knabe gewesen, hatte er den Kaiser das letzte Mal so nahe von Angesicht zu Angesicht gesehen. Friedrichs Antlitz war in der Zeit, die seither vergangen war, müder und auch misstrauischer geworden und um seinen Mund lag ein bitterer Zug. Doch der Blick, mit dem der Staufer sich ihm zuwandte, war scharf und klar und kündete von der kaum zu bändigenden Geisteskraft, die er besaß.
    Er hob die Hand. »Komm näher!«
    Roger ging bis auf wenige Schritte auf ihn zu und kniete nieder. Der Kaiser musterte ihn und bedeutete ihm schließlich, sich zu erheben.
    »Ich habe gehört, dass du dich gut entwickelt hast, seit ich dich mit in meine südlichen Länder nahm.«
    »Ich hatte gute Lehrer.« Roger schien es, als ob seine Stimme von sehr weit her käme.
    »Ja, die hattest du. Aber du hast dich nicht nur in den Dingen gut entwickelt, in denen du geschult wurdest, sondern hast durchaus auch eigene lobenswerte Kenntnisse und Fertigkeiten erworben.«
    Friedrich legte die Hände übereinander, kräftige Hände, die es gewohnt waren, lange Zeit die Zügel eines Pferdes zu halten oder die Waffen zu führen. »Mir wurde berichtet, dass du in der Medizin gut bewandert bist und, um deine Kunst für die Lebenden zu vervollkommnen, Operationen an Toten ausführst, verborgen in einem Kellerraum deines Hauses. Weiter wurde mir berichtet, dass du dir dabei arabische Schriften zum Vorbild nimmst.«
    Roger wusste nur zu gut, woher der Kaiser darüber Kenntnis hatte. Anfangs, als er für das Netz von Kundschaftern ausgebildet worden war, das Friedrich in allen seinen Ländern unterhielt, hatte er selbst oft genug derartige Dinge über andere Männer in Erfahrung gebracht. Er hatte damit gerechnet, dass er bespitzelt wurde, obwohl seine Dienste in letzter Zeit nur noch selten benötigt worden waren. Aber trotzdem war er überzeugt gewesen, dass er sein Treiben im Keller hatte geheim halten können. Denn die Männer, die ihm die Toten besorgten, hatte er für zuverlässig gehalten und außer mit einigen Medici, von denen er dachte, sie seien verschwiegen, hatte er auch nie mit jemandem über sein Tun gesprochen. Er begriff nun, wie leichtgläubig er gewesen war.
    »Ich weiß, dass die Kirche derartige Forschungen an Toten missbilligt. Aber ich kann mein Handeln rechtfertigen …«, setzte er an.
    »Ich dulde keine Abweichungen innerhalb des Glaubens. Aber in den Belangen der Wissenschaft ist mir die Meinung der Kirche völlig gleichgültig. Was Papst Gregor und seine Priester nicht müde werden, mir vorzuwerfen …« Friedrich lächelte ein wenig. »Mir ist zugetragen worden, im Volk sei die Ansicht verbreitet, ich zweifelte an der Unsterblichkeit der menschlichen Seele … Sag, stimmt dieses Gerücht?«
    »Ja, Herr.«
    »Du hattest die Erlaubnis, an der Universität zu Salerno die freien Künste und besonders die Medizin zu studieren … Nun, ich schätze deine Kenntnisse im Bereich der Heilmittel und der Medizin durchaus.« Der Kaiser lehnte sich in dem Fenstersitz zurück, wobei er Roger noch einmal prüfend musterte. Von draußen war das Geräusch eines Schmiedehammers zu hören und das schrille Wiehern eines Pferdes, das vor dem Feuer zurückschreckt, aber trotzdem festgehalten wird.
    »Wie weit beherrschst du noch die Sprache des Landes, in dem du aufgewachsen bist?«
    Die Frage kam so unvermutet, dass Roger einige Augenblicke benötigte, ehe er antworten konnte. Er versuchte, sich zu erinnern. Zuerst stieg nur der heisere Schrei der Falken in seinem Gedächtnis auf. Aber dann, allmählich, gab es noch andere Laute und Worte preis.
    »Ich bin mir nicht
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