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Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie

Titel: Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
Autoren: Patrick Graham
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sind.«
    »Hören Sie etwas?«
    »Nein.«
    »Und die Uhr in der Diele?«
    »Ist gerade stehen geblieben.«
    Dr. Cooper spielt mit der Kappe seines Füllers. Er hört zu.
    »Ich gehe ganz langsam nach unten. Meine Hand streift das Geländer. Ich halte an. Meine Füße spüren etwas Nasses auf der Stufe, auf der ich gerade stehe. Ich bücke mich und fasse mit den Fingerspitzen hin. Es ist eine dicke, klebrige, lauwarme Flüssigkeit. Ich sehe auf meine Finger: Sie sind rot, als hätte ich sie in Nagellack getaucht. Auch auf dem Geländer ist Blut, es benetzt meine Handfläche, als ich die letzten Stufen hinabgehe. Eine lange Blutspur zieht sich über das Linoleum in der Diele. Eine Lache, von der aus ein breiter klebriger Streifen zum Wohnzimmer führt.«
    »Wo sind Sie jetzt?«

    »Ich halte mich dicht an der Wand, um nicht in das Blut treten zu müssen. Ich bin jetzt im Wohnzimmer. Die Lichtergirlande am Weihnachtsbaum blinkt. Meine Augen sind geschlossen. Ich habe Angst, sie zu öffnen.«
    »Doch Sie wissen Bescheid.«
    »Was?«
    »Sie wissen, dass sie tot sind.«
    »Ja.«
    »Öffnen Sie jetzt die Augen. Was sehen Sie?«
    »Ich warte, bis die Lichtergirlande ausgeht. Jetzt. In der Dunkelheit öffne ich die Augen. Der Fernseher läuft noch. Der grau-weiße Bildschirm erhellt den Raum. Man hört Knistern und Rauschen.«
    »Sie sollen sich nicht den Fernseher ansehen.«
    »Ich erkenne Gestalten. Zwei sind auf dem Sofa übereinander zusammengesunken. Andere sind auf den Sesseln erkennbar. Ein Mann und eine Frau, die einander gegenübersitzen. Man könnte sagen, dass sie einander ansehen. Winzige helle Punkte werden in der Dunkelheit größer. Die Lichtergirlande am Weihnachtsbaum geht wieder an.«
    »Sehen Sie genau hin.«
    »Ich kann nicht.«
    »Sie haben nichts zu befürchten. Wenn es Ihnen lieber ist, können Sie die Szene durch die zusammengekniffenen Lider betrachten, so, wie Sie es getan haben, wenn Sie am Rand der Abgründe entlangbalanciert sind.«
    »Das Licht wird heller. Es drängt die Dunkelheit zurück. Ich sehe Onkel Walts Gesicht. Er sitzt ganz aufrecht im Sessel, der dem Fernseher am nächsten steht. Seine Augen sind weit aufgerissen... Irgendetwas stimmt nicht.«
    »Was ist es?«
    »Seine Augen sind offen, aber es fehlt etwas. Ja, richtig, er hat keine Augenlider mehr. Man hat sie ihm abgeschnitten. Eines hängt noch an einem winzigen Hautfetzen herunter.
Der Mörder hat ihm die Augenlider abgeschnitten, damit er gezwungen ist, genau hinzusehen.«
    »Was weiter?«
    »Onkel Walts Arme liegen auf den Sessellehnen. Die Schondeckchen auf dem Bezug haben sich mit Blut vollgesogen. Auch sein Hemd. Seine Kehle ist offen. Eine einzige Wunde von einem Ohr zum anderen. Man könnte glauben, dass er lächelt. Gott im Himmel, wie viel Blut auf seinem Hemd und seiner Hose ist!«
    »Immerhin hat er Ihnen Leid zugefügt. Was sehen Sie noch?«
    »Tante Bessie. Sie hängt schlaff im Sessel ihm gegenüber, mit dem Rücken zu mir. Aber ihr Kopf ist nach hinten gedreht, sodass ich ihr Gesicht sehen kann. Sie sieht mich in der Dunkelheit unverwandt an.«
    »Sind auch ihre Augenlider abgeschnitten?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Gehen Sie ein bisschen näher heran.«
    »Verlangen Sie das bitte nicht von mir.«
    »Sie haben keine Wahl, Maria. Sie wollen es wissen. Deshalb haben Sie mich doch aufgesucht, nicht wahr? Hat man ihr die Augenlider abgeschnitten?«
    »Nein. Der Mörder hat sie mit kräftigem Zwirn zusammengenäht. An jedem Auge zwei Kreuzstiche. Blut ist ihr wie Clownsschminke über die Wangen gelaufen. Der Mörder hat ihr die Kehle so weit aufgeschlitzt, dass ich inmitten des Fleisches die Krümmung der Halswirbel erkennen kann. Wie Elfenbein. Die Lichtergirlande ist wieder erloschen.«
    »Wir wollen warten, bis sie erneut angeht. Sie fragen sich, warum ihr unser Mörder die Augenlider nicht abgeschnitten hat, nicht wahr?«
    »Es ist ein Spiegelmörder. Er hat Angst, sich im Blick der anderen zu sehen. Onkel Walt hat er die Lider abgeschnitten,
um ihn zum Hinsehen zu zwingen, aber die von Tante Bessie hat er zugenäht, um sie am Sehen zu hindern.«
    »Nein, Maria. Er ist kein Spiegelmörder, sondern ein Erlöser.«
    »Was soll er sein?«
    »Ein Läuterer, wenn Ihnen das lieber ist.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Kein Wunder: Sie haben die Grenze noch nicht überschritten. Sie riechen Mörder, sind aber selbst noch keine Mörderin. Dabei haben Sie schon lange den Wunsch zu töten, nicht wahr?«
    »Das habe ich bereits
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