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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
Autoren: Jan Guillou
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holten die Tonnen.
    Zu Abend gegessen wurde in der Küche, nach dem Tischgebet. Meist gab es Fisch und einmal in der Woche Kartoffeln mit Speck, genau wie zu Hause auf Osterøya.

    Lauritz, Oscar und Sverre fanden sich in Cambell Andersens Seilerei, die nur zehn Minuten zu Fuß von der Verftsgaten,
in der sie wohnten, entfernt lag, schnell zurecht. Sie besaßen eine rasche Auffassungsgabe und handhabten Seile und Werkzeuge mit solchem Geschick, dass die anderen Arbeiter und der Vorarbeiter Onkel Hans neugierige, anerkennende Fragen stellten. Die Fischerjungen seien seit ihrem fünften Lebensjahr zur See gefahren und hätten gelernt, überall mit anzupacken, erklärte er. So seien sie auch behilflich gewesen, als ihr Vater und ihr Onkel ein ungewöhnlich großes Fischerboot gebaut hatten.
    Bereits nach einer Woche beschloss Vormann Andresen, ohne beim Direktor zu fragen, den Lauritzen-Jungs nach einem Monat einen Vorschuss auf ihren Lohn zu geben, der üblicherweise erst nach drei Monaten ausgezahlt wurde. Zweifellos würden diese Knaben einmal geschickte Seiler werden.
    Sonntags promenierte man. Onkel Hans erklärte, das hieße so. Nach dem Gottesdienst ging man in seinen besten Kleidern durch die Stadt, ohne ein bestimmtes Ziel, und unterhielt sich hier und da mit den Leuten, denen man begegnete. Der Weg, der den drei Brüdern am besten gefiel, führte zu dem kleinen künstlichen Fjord, der nicht Fjord hieß, sondern Lille Lungegårdsvann. Sonntags ruderten Männer mit aufgekrempelten Ärmeln, das Sakko neben sich auf der Ruderbank, Damen durch die Gegend, die achtern saßen und einen Schirm über den Kopf hielten, selbst wenn es nicht regnete. Warum sie gerudert wurden, war den Jungen anfänglich vollkommen rätselhaft, wollten sie doch nirgendwohin, und Angeln hatten sie auch nicht dabei. Onkel Hans erklärte, dass man in der Stadt zum Vergnügen herumruderte, etwa so, wie man auch promenierte, allerdings mit einem Boot. Das machte die Sache nicht weniger befremdlich.
    Am Nordufer des Lille Lungegårdsvann verlief die Kaigaten mit großen drei-und vierstöckigen Häusern, deren Fassaden mit Skulpturen und anderem Firlefanz verziert waren. Da diese Häuser aus Stein waren, musste die Belastung des Bodens fürchterlich groß sein, wie die Jungen bereits beim ersten Besuch in dieser vornehmen Straße anmerkten. Sie fragten Onkel Hans, wie dieses Problem gelöst worden sei. Er erwiderte, Stein sei schwer, und lege man Stein auf Stein aufeinander, bekäme das Ganze allein durch das Eigengewicht Stabilität.
    Er merkte wohl, dass ihm die Jungen nicht glaubten, aber eine bessere Erklärung hatte er nicht parat, da er selbst noch nie über diese Sache nachgedacht hatte.
    Als die Jungen nach einem Monat einen Vorschuss auf ihren ersten Lohn erhielten, konnten sie ihrem Onkel und seiner Frau Solveig das Kostgeld aushändigen und hatten trotzdem noch etwas Geld übrig. Bei einer Abstimmung, die zwei zu eins ausging, wurde beschlossen, dass sie die überschüssigen fünf Kronen der Mutter schicken wollten. Lauritz hätte für das Geld lieber ein Buch über Lokomotiven gekauft.
    Alles war so vielversprechend und endete doch bereits vor dem Herbst in einer Katastrophe. Im Nachhinein machte sich Hans Tufte Vorwürfe, weil er nicht wachsamer gewesen war. Aber er wäre doch nie auf die Idee gekommen, dass sich die Jungen in den hellen Juninächten aus einem anderen Grund ins Freie schlichen, als zum Klosett zu gehen. Verzweifelt versuchte er sich damit zu entschuldigen, dass er das unmöglich hätte ahnen können. Nicht einmal ihr zwangsläufiger Schlafmangel war ihm aufgefallen.
    Wovor ihm am meisten graute, war, wie er das klägliche Scheitern des Stadtlebens der Jungen seiner Schwester Maren Kristine erklären sollte.

    Christian Cambell Andresen war achtundzwanzig Jahre alt, er war der älteste Sohn des Seilermeisters Andresen und würde bald das Unternehmen übernehmen. Er war ein gut aussehender Mann mit einem imposanten Schnurrbart und seltsamerweise noch unverheiratet. Man konnte ihn als jüngeres Mitglied der Bergener Gesellschaft betrachten, jedenfalls war er vollwertiges Mitglied des Eisenbahnkomitees, der Theatergesellschaft, der Wohltätigkeitsloge und des Herrenclubs Die gute Absicht . Er hatte den Kopf voller Ideen und war überall ein gern gesehener Gast.
    Vor dem freien Sankt-Hans-Abend, wo bereits nicht mehr voll gearbeitet wurde, wollte er noch etwas im Büro erledigen. Er begegnete einigen Arbeitern, die auf
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