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Die Brücken Der Freiheit: Roman

Die Brücken Der Freiheit: Roman

Titel: Die Brücken Der Freiheit: Roman
Autoren: Ken Follett
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schwarze Pony, dem ein Damensattel auflag, und trottete aus dem Hof hinaus. Die beiden Brüder folgten ihr, Jay auf dem Wallach, Robert auf der Stute. Der Wind trieb ihr Graupel in die Augen. Der frischgefallene Schnee ließ den Untergrund trügerisch sicher erscheinen, deckte er doch die oft fußtiefen Löcher zu, welche die Pferde zum Stolpern brachten. »Reiten wir durch den Wald!« schlug Lizzie vor. »Dort sind wir vor dem Wind geschützt, und der Boden ist nicht so uneben.« Ohne auf Zustimmung zu warten, lenkte sie ihr Pferd von der Straße fort, hinein in den uralten Forst.
    Unter den hohen Kiefern gab es kein Gestrüpp. Die kleinen Rinnsale und sumpfigen Senken waren hartgefroren, der Boden weiß überstäubt. Lizzie trieb ihr Pony zu einem leichten Galopp an. Wenige Augenblicke später stob der Graue an ihr vorbei. Als Lizzie aufblickte, gewahrte sie ein herausforderndes Grinsen in Jays Miene: Er wollte mit ihr um die Wette reiten. Das war ganz nach ihrem Geschmack. Sie stieß einen Begeisterungsschrei aus und trat ihrem Pony in die Flanke. Das Tier war sofort bei der Sache.
    Sie sprengten durch den Wald, duckten sich unter niedrigen Ästen, sprangen über gestürzte Stämme und platschten wagemutig durch die Bäche. Jays Pferd war größer und hätte einen Galopp im offenen Gelände fraglos gewonnen, doch in dem schwierigen Terrain tat sich das weniger schwerfällige Pony mit seinen kurzen Beinen leichter, so daß Lizzie langsam, aber sicher einen kleinen Vorsprung gewann. Erst als das Hufgetrappel von Jays Wallach nicht mehr zu hören war, hielt sie an.
    Jay hatte sie bald eingeholt, doch von Robert war weit und breit nichts zu sehen. Lizzie nahm an, daß er zu vernünftig war, um in einem Wettrennen um nichts und wieder nichts Kopf und Kragen zu riskieren. Sie und Jay ritten im Schritt weiter, Seite an Seite, immer noch atemlos. Die von den Pferdeleibern aufsteigende Hitze hielt die Reiter warm. Schließlich keuchte Jay: »Ich würde zu gerne einmal auf gerader Strecke mit Ihnen um die Wette reiten.«
    »Im Herrensattel würde ich Sie schlagen«, gab Lizzie zurück eine Antwort, die Jay als einigermaßen skandalös empfand. Eine wohlerzogene junge Dame ritt ausschließlich seitwärts, wie es der Damensattel vorschrieb. Frauen im Herrensitz galten als vulgär. Lizzie hielt diese Sitte für albern; wenn sie allein war, ritt sie stets wie ein Mann.
    Sie musterte Jay mit einem kritischen Seitenblick. Alicia, seine Mutter und die zweite Frau von George, war eine blonde Kokotte. Jay hatte nicht nur ihre blauen Augen, sondern auch ihr gewinnendes Lächeln geerbt.
    »Was treiben Sie denn so in London?« fragte Lizzie.
    »Ich gehöre dem Dritten Regiment der Fußgarde an.« Und mit unüberhörbarem Stolz in seiner Stimme fügte er hinzu: »Bin kürzlich erst zum Captain befördert worden.«
    »Und was, Captain Jamisson, habt ihr tapferen Soldaten derzeit zu tun?« fragte sie spöttisch. »Herrscht vielleicht Krieg in London? Gibt's irgendwelche Feinde, die getötet werden müssen?«
    »Wir haben alle Hände voll zu tun, den Mob in seine Schranken zu weisen.«
    Bei dieser Bemerkung fiel Lizzie urplötzlich wieder ein, was für ein gemeiner Kerl der Knabe Jay einst gewesen war, und sie fragte sich unwillkürlich, ob ihm seine Tätigkeit gefiel. »Und wie stellen Sie das an?«
    »Ich eskortiere zum Beispiel Verbrecher zum Galgen und sorge dafür, daß ihre Spießgesellen sie nicht befreien, bevor der Henker seine Arbeit getan hat.«
    »Sieh an, er befördert Engländer vom Leben zum Tode! Sie haben das Zeug zum schottischen Volkshelden, Jay!«
    Ihr Spott schien Jay nicht zu stören. »Eines Tages«, antwortete er gelassen, »würde ich gern meinen Abschiednehmen und nach Übersee gehen.«
    »Ach ja? Warum?«
    »Weil in diesem Lande hier ein jüngerer Sohn nichts gilt«, sagte er. »Sogar die Dienstboten überlegen sich jedesmal von neuem, ob sie seinen Anweisungen gehorchen sollen.«
    »Und Sie glauben, anderswo wäre das nicht so?«
    »In den Kolonien ist alles anders. Ich habe Bücher darüber gelesen. Die Menschen dort sind freier und nehmen das Leben  leichter. Man wird so genommen, wie man ist.«
    »Was wollen Sie dort tun?«
    »Meine Familie besitzt eine Zuckerrohrplantage auf Barbados. Ich hoffe, daß mein Vater sie mir zu meinem einundzwanzigsten Geburtstag überschreibt, sozusagen als Erbteil.«
    Lizzie empfand bitteren Neid. »Sie Glückspilz!« sagte sie. »Nichts täte ich lieber, als in ein anderes
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