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Die brennende Gasse

Die brennende Gasse

Titel: Die brennende Gasse
Autoren: Ann Benson
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Tücher zurück und schaute auf das zerknitterte rosa Gesichtchen des Säuglings, der kläglich greinte. » Du weißt nichts von dem, was vor dir liegt, kleiner Mann «, flüsterte er , » aber ich schwöre beim Leben deiner Mutter, daß du nichts entbehren mußt. « Er rieb den Rücken des Kindes, und nach ein paar Minuten beruhigte das Baby sich wieder. Er drückte seinem Pferd die Knie in die Seiten, und das Tier ging mit langsamen, sicheren Schritten weiter.
    » Wir werden dir eine geeignete Amme suchen, sobald wir auf der anderen Seite sind. « Er schaute sich nach der Ziege um, die an einem Strick hinter dem Pferd hertrottete und deren volles Euter im Gehen schwang. Das Tier sah unsagbar unglücklich aus und blökte auf höchst verstörende Weise. Er hatte die fürstliche Summe von zwei Goldstücken für dieses lästige Geschöpf bezahlt; aber es hatte warme Milch geliefert, um das Kind zu ernähren, und dafür hätte Alejandro auch die zehnfache Summe aufgewendet. » Wenn wir dann die Richtige gefunden haben, werden wir dieses störrisch e K indermädchen zur Belohnung auf die Weide schicken und ihm für seine guten Dienste ewig dankbar sein. «
    Der Papstpalast dominierte noch immer die Aussicht mit seinen weißen Pfeilern, die himmelwärts strebten – jenem ätherischen Ort entgegen, an den alle Christen jenseits der elenden Grenzen des Lebens glauben. Er blickte auf und stellte sich den neuen Papst vor – dessen Namen er noch nicht kannte und auch nicht zu kennen begehrte –, eingeschlossen in seinen privaten Turm, umschwirrt von Beratern und Weisen; dennoch konnte Alejandro sich nicht denken, daß irgendeiner von ihnen so viel Schläue an den Tag legte wie de Chauliac zum Wohl seines Herrn Clemens. Der gegenwärtige Stellvertreter des christlichen Gottes würde festen Halt haben in der glorreichen Macht der Kirche mit ihrer unendlichen Reichweite und ihrem grenzenlosen Mandat. Er konnte das Leben der Juden von Avignon und vieler anderer zerbrechen, indem er ein paar Worte auf eine Pergamentrolle kritzelte und sein Siegel in ein wenig erwärmtes rotes Wachs auf seiner Oberfläche drückte. Trotz des Leidens, das er mit einem so simplen Akt verursachte, brauchte er nie einen zweiten Gedanken daran zu verschwenden. Würde dieser Papst sich auch als so unergründlich entgegenkommend erweisen, wie Clemens es gewesen war, gegen alle Ratschläge – als de Chauliac ihm diente? Bald bestünde darüber Klarheit.
    Die Straßen Avignons waren viel sauberer, als er sie in Erinnerung hatte. » Ach, kleiner Guillaume «, sagte er zu dem Baby, » du kannst dir den Schmutz nicht vorstellen, den es hier früher gab! Im Vergleich dazu glänzt jetzt alles. « Und das stimmte; er sah keine Ratten und sehr wenig Unrat.
    Er befand sich auf einem großen, offenen Platz. Von seinem ersten Besuch in Avignon erinnerte er sich nicht daran; aber im Gegensatz zu Paris, das unter den Nachwehen eines Krieges litt, war Avignon unter dem Schutz der Kirche in aller Stille gediehen, und man hatte sogar Mittel zu seiner Verschönerung gefunden. Der weite, gepflasterte Platz war übersät von den verachteten Tauben, die landeten, um gelegentlich an Pferdeäpfeln zu picken, und es herrschte lebhaftes Treiben. Die Ziege noch immer im Schlepptau, sah Alejandro sich auf dem Platz nach einem Zeichen um, wohin er sich wenden sollte. Aber die Menschen strebten in alle Richtungen, und er fand keinen Hinweis.
    Das Baby begann wieder mit seinem Geschrei, diesmal heftiger, und wollte sich nicht beruhigen lassen. Also saß Alejandro ab und führte das Pferd an den Rand des Platzes, wo er es an einen Baum band. Er löste den Strick der Ziege und hockte sich neben sie. Ihr Euter war fast voll; es war ohnehin an der Zeit, sie zu melken. Er massierte mit einer Hand das Euter, mit der anderen tätschelte er Guillaumes winzigen Rücken, und bald begann die Ziegenmilch zu fließen. » Hier kommt dein Abendessen, Kleiner «, sagte er und stellte einen kleinen Eimer aus seiner Satteltasche unter sie. Langsam und geduldig füllte er das Gefäß, denn Eile würde die Milch sauer werden lassen oder die Ziege erschrecken, was beides nicht wünschenswert war.
    Dann setzte er sich auf eine steinerne Mauer und nahm das Kind auf den Schoß. Er tauchte die Ecke eines kleinen weißen Tuchs in die warme Milch und legte sie sanft an die Lippen des Kindes. Das winzige Baby saugte genüßlich und hatte das Tuch bald leergesaugt. Alejandro wiederholte den Vorgang, bis sein
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