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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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auch keine Waffe vor meiner Nase, um die Situation zu erfassen.
    Hatte ich nicht schon während dieser Versammlung in der Suite meines Onkels gespürt, dass irgendjemand anders hinter den Kulissen heimlich die Fäden zog? Warum hatte ich nicht erkannt, selbst da noch nicht, dass es nicht Rosemary oder Basil war - sondern Sage selbst, und zwar schon die ganze Zeit über.
    Praktisch seit meiner Geburt , hatte sie gesagt.
    Wie recht sie damit hatte.
    Hatte nicht Sage, als wir noch Kinder waren, anstatt sich mit mir anzufreunden, wie ich es damals dachte, von Anfang an versucht, mich unter ihre Kontrolle zu bringen, mich ihrem Zirkel aus Einfluss, Reichtum und Macht einzuverleiben?
    Und kaum war ich nach Washington gezogen, hatte Sage ihre Zelte in Denver abgebrochen und ihre High-Society-Aktivitäten in die Hauptstadt verlagert. Zwar hatte ich sie über die Jahre so gut wie nie gesehen, aber woher sollte ich wissen, ob sie nicht die ganze Zeit über mich beobachtet hatte? Außerdem
hatte Sage sich in die Abwicklung der Sky-Ranch-Transaktion eingemischt, obwohl sie mit Immobilien eigentlich gar nichts zu tun hatte.
    In welche Rollen war sie noch geschlüpft?
    Genau genommen war Sage in der Regel nur durch ihr Aussehen aufgefallen, ihren oberflächlichen Stil. Sie hatte sich in einer Wolke aus Geselligkeit versteckt, getarnt durch ihre Entourage. Ganz plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen, dass Sage überall dabei gewesen war und wie eine Spinne alles und jeden mit einem Netz aus Intrigen überzogen hatte. Tatsächlich hatte ihr nicht nur das Abhörgerät, das sie in meinem Rucksack deponiert hatte, Zugang zu jedermanns Gedanken und Handlungen verschafft. Sie hatte praktisch jedes persönliche Gespräch mitbekommen oder sogar daran teilgenommen.
    Bei der privaten Geburtstagsparty meiner Mutter in Colorado.
    Im Brown Palace in Denver mit Lily und Wartan.
    Im Vier Jahreszeiten in Washington mit Nim, Rodo und Galen.
    Plötzlich fiel mir die Bemerkung wieder ein, die sie über mein Verhältnis zu meiner Mutter hatte fallen lassen: Anscheinend haben wir uns geirrt .
    Und jetzt wurde mir klar, dass es diese sinnentleerte Oberschichthaltung war, die die Aufmerksamkeit von ihrer wahren Rolle ablenkte. Und ich begriff sehr genau, welche Rolle ihr von Geburt an zugedacht war.
    »Du bist die Sage Livingston.«
    Kühl lächelnd zog sie eine Braue hoch, um meinen Scharfsinn zu würdigen.
    Wartan warf mir von der Seite einen fragenden Blick zu.
    Ich drehte mich zu ihm um und erklärte: »Ich meine den
›lebenden weisen Stein‹. Charlot hat ihn in seiner Geschichte als den Stein der Weisen bezeichnet, das Pulver, aus dem das Elixier des Lebens gewonnen wird. Als Sage gesagt hat, sie sei von Geburt an auserwählt gewesen, hat sie das gemeint - dass sie von Geburt an dazu erzogen wurde, ihre Mutter als weiße Dame zu beerben. Ihre Eltern waren der Meinung, sie hätten die Kontrolle über die weiße Mannschaft und das Spiel zurückgewonnen, nachdem sie meinen Vater getötet und sich die Schachfigur wieder angeeignet hatten. Aber jemand anders nahm ihnen die Zügel aus der Hand, ohne dass sie es gemerkt haben. Sie hatten keine Ahnung von Galen March und Tatjana - oder von deinem Stiefvater, der das Lager gewechselt hatte. Sie haben nie den wahren Zweck begriffen, dem das Spiel dient.«
    Als Sage ziemlich undamenhaft schnaubte, zuckte ich zusammen. Die Waffe, die sie jetzt fester umklammerte als zuvor, war auf einen Körperteil gerichtet, dessen Funktionsfähigkeit ich gern erhalten wollte.
    »Der wahre Zweck des Spiels ist Macht «, sagte sie. »Es ist nie um etwas anderes gegangen. Das anzunehmen, ist total naiv, egal, was all diese Trottel dir weismachen wollen. Ich mag ja vielleicht keine Spitzenschachspielerin sein, so wie ihr beide, aber ich weiß, wovon ich rede. Schließlich habe ich Macht mit der Muttermilch aufgesogen - und zwar wirkliche Macht, Welt -Macht, Macht, von der keiner von euch auch nur träumen würde -, und ich bin immer noch nicht entwöhnt …«
    Etcetera.
    Während Sage sich darüber ausließ, wie sie ihr Leben lang am Busen der Macht genährt worden war, bekam ich es immer mehr mit der Angst zu tun. Ich spürte, wie auch Wartan sich anspannte. Ihm war zweifellos ebenso klar wie mir, dass Miss »Stein der Weisen« das bisschen Verstand, das sie möglicherweise
irgendwann einmal besessen hatte, mittlerweile völlig verlorengegangen war. Aber keiner von uns beiden hatte eine Idee, wie wir uns über
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