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Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Titel: Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)
Autoren: Volker Reinhardt
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an den kleinen Rodrigo junior, zum anderen an einen dreijährigen Knaben namens Giovanni. Dieser wird in Urkunden mal als Sohn Cesares und mal als Sohn des Papstes bezeichnet, doch dürfte dessen späte Vaterschaft außer Frage stehen. Je mehr Herrschaftsträger aus dem Hause der Borgia es gab, desto besser waren die Chancen, sich auf Dauer als regierende Dynastie zu behaupten.
    Alexander VI., der Familienmensch, sah die Verzweigung seines Geschlechts mit Wohlgefallen, wie die reiche Dotierung aller Familienmitglieder belegt. Der einzige Wermutstropfen im Freudenbecher war, dass Cesare als Vasall Ludwigs XII. aus der Romagna abziehen und mit den französischen Truppen die Eroberung Neapels in Angriff nehmen musste. Dieser Expedition stellten sich jedoch wie schon 1495 keine ernsthaften Hindernisse entgegen. Federico, der letzte König seiner Dynastie, dankte ab und wurde mit einer Pension abgefunden.
    Natürlich ließ es sich Alexander VI. nicht nehmen, Lucrezias Eheschließung in Rom mit einem glanzvollen Fest zu begehen. Dem Stil der Borgia entsprechend, wurde es zu einer eindrucksvollen militärischen Machtdemonstration. Die vom frischgebackenen Kardinal Ippolito d’Este angeführte Delegation aus Ferrara wurde an der Porta del Popolo, dem nördlichen Stadttor, von zweitausend Bewaffneten begrüßt. Nacheinander wurden die illustren Gäste von römischen Adeligen, Schweizer Elitetruppen und schließlich von Cesare Borgia und dem französischen Botschafter in Empfang genommen. Den Este wurde eindrucksvoll demonstriert, dass sie sich mit einer unbesiegbaren und unermesslich reichen Familie verbanden. Die Hochzeit wurde in beispiellosem Prunk gefeiert. Die Tafel bog sich unter der Last der Gerichte, Lucrezia trug eine Perlenkette von unschätzbarem Wert, die Damen der römischen Gesellschaft tanzten in golddurchwirkten Gewändern. Die Informanten der italienischen Fürstenhöfe kamen mit ihren Superlativen kaum noch nach.
    Doch selbst in dieser ausgelassenen Geselligkeit fehlte es nicht an düsteren Zwischentönen. Auf Anordnung Cesares traten adelige Wettkämpfer auf dem Vorplatz der Peterskirche mit dem blanken Schwert gegeneinander an, bis das Blut reichlich floss. Er selbst trug, wie immer bei öffentlichen Anlässen, eine schwarze Maske; auch das gehörte zum Image des Schreckens. Und als Sohn eines spanischen Papstes ließ er es sich nicht nehmen, vor dem staunenden Publikum mit dem Degen Stiere zu töten. Auch diese Botschaft war unmissverständlich: Die Borgia waren stärker als das mächtige Tier, das sie im Wappen führten! Wer nicht wie dieses enden wollte, hatte ihnen zu Willen zu sein.
    Anfang Januar 1502 reisten Braut und Bräutigam nach Ferrara zurück. Die Borgia waren so mächtig nie zuvor und hielten nach neuen Eroberungen Ausschau.

14. Der Schrecken Italiens
    Nicht nur die Este fühlten sich genötigt, die beunruhigenden Nachrichten über die Borgia zu überprüfen. Um dieselbe Zeit fragten sich auch Einwohner der Ewigen Stadt immer häufiger, ob es stimmte, was man sich über die Papstsippe erzählte. Selbst Insider des Vatikans trauten immer häufiger ihren eigenen Augen nicht. Die vielen Borgia-Geschädigten versorgten eine sensationslüsterne Öffentlichkeit mit immer pikanteren Geschichten und heizten die Gerüchte zusätzlich an.
    Die berühmteste dieser «vermischten Nachrichten» berichtet von einer Orgie, die sich am 31. Oktober 1501, dem Vorabend des hohen kirchlichen Fests Allerheiligen, zugetragen haben sollte. Um dieses gründlich zu schänden, hatten sich die Borgia dem Gerücht zufolge ein «Allerhurenfest» einfallen lassen: Fünfzig römische Kurtisanen tanzten nackt vor Alexander VI. und Lucrezia und sammelten danach auf allen Vieren Kastanien auf. Als Höhepunkt des Festes wurde ein Sexwettkampf ausgerufen, bei dem es darum ging, wer am häufigsten kopulieren konnte. Dem leistungsfähigsten Mann wurde am Ende von der Borgia-Jury ein Ehrenpreis überreicht. Dass hier Erfinder mit viel lüsterner Phantasie am Werk waren, lässt sich leicht belegen. Alexander und Cesare rühmten sich zwar ihrer Potenz, doch hätten sie durch eine öffentliche «Veranstaltung» dieser Art nur verlieren können. Just um diese Zeit waren die Leumundforscher aus Ferrara unterwegs; Nachrichten von Gruppensex im Vatikan hätten die Heirat Lucrezias und damit ein strategisches Ziel von entscheidender Bedeutung gefährdet.
    Gegen den Wahrheitsgehalt dieses Gerüchts spricht außerdem die Lust an
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