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Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Titel: Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)
Autoren: Volker Reinhardt
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doch so weit ließen sie es gar nicht erst kommen. In ihren Augen war der geschützte Besitz Ferraras, das sie als erste juristisch abgesicherte Stadtherren Italiens seit 1264 beherrschten, eine Mesalliance mit der Bastardtochter des Papstes wert! Natürlich zierten sie sich anfangs trotzdem. Schließlich waren sie die unbestritten älteste und vornehmste Adelsfamilie Italiens, die seit dem Mittelalter mit Kaisern und Königen verschwägert war. Was waren im Vergleich damit schon die Borgia! Die Sprödigkeit, mit der die Werbung der Borgia anfangs aufgenommen wurde, sollte die Preise in die Höhe zu treiben; das Vornehmheitsgefälle zwischen Bräutigam und Braut sollte der Brautvater durch eine üppige Mitgift ausgleichen!
    Darüber hinaus waren die Este ernsthaft um ihren Ruf besorgt. Kam diese Eheschließung zustande, dann würde Lucrezia Borgia die Mutter der künftigen Este-Herzöge werden. Um das Geschlecht nicht zu kompromittieren, musste den schlimmen Gerüchten auf den Grund gegangen werden, die Giovanni Sforza nach Auflösung seiner Ehe in die Welt gesetzt hatte. Pflegte der Papst wirklich fleischlichen Umgang mit seiner eigenen Tochter? Konnte diese tatsächlich Männer verhexen, wie es ihr die erhitzte öffentliche Einbildungskraft unterstellte? Die Erkundigungen, die der Brautvater so diskret wie möglich einzog, fielen beruhigend, ja geradezu beglückend aus: Lucrezia, so die Gesandten Ferraras, war eine schöne, liebenswürdige und sanftmütige junge Frau von guten Sitten, zurückhaltend in ihrem Auftreten und dazu hochgebildet, zum Beispiel des Lateinischen und Französischen mächtig. Von Abscheulichkeiten wie Mord und Inzest könne deshalb gar keine Rede sein. Der saure Apfel, in den die Este beißen sollten, erwies sich bei näherem Hinsehen als zuckersüß – zumindest, was die Eigenschaften der Braut betraf.

    Lucrezia Borgia, wie sie der Medailleur des Herzogs von Ferrara anlässlich ihrer Hochzeit mit Alfonso d’Este sah; sichere Porträts in Farbe gibt es von ihr genauso wenig wie von ihrem Bruder Cesare (Bologna, Museo civico archeologico).
    Die Diagnose der Kundschafter ist bei nüchterner Betrachtung der Quellen bis heute wertvoll. Gewiss, Alexander VI. hatte eine Vorliebe für junge Blondinen mit lang herabwallendem Haar, und seine Tochter entsprach fraglos diesem Schönheitsideal. Dass er sich an ihr vergriff, ist dennoch abwegig. Dagegen spricht die große Zahl williger Gespielinnen, die der Papst ohne große Mühe außerhalb seiner Familie fand; dagegen spricht, dass eine blutschänderische Beziehung im Vatikan nicht lange geheim bleiben würde – mit verheerenden Folgen für das Image des Papstes, wie Sforzas «Enthüllungen» zeigten. Dagegen spricht aber auch Lucrezias Persönlichkeit, die bei aller Sanftmut durchaus ihre Krallen zeigen konnte.
    Versüßt wurde den Este die Eheschließung mit den Parvenüs aus Spanien darüber hinaus durch die Bestimmungen des Ehevertrags. So setzte der Papst den Lehnszins herab, den Herzog Ercole als Gefolgsmann der Kirche zu entrichten hatte, und schlug kurzerhand die Herrschaft über die Orte Pieve und Cento dazu. Diese gehörten unmittelbar zum Kirchenstaat und wurden als Teil der Mitgift jetzt aus diesem herausgelöst und den Este unterstellt. Damit schmälerte Alexander VI. den Besitz der Kirche, um seine Familie zu fördern. In den Augen der immer stärker eingeschüchterten Opposition war das ein schwerer Missbrauch der Herrschaft und als solcher illegal. Zu diesen politischen Hochzeitsgeschenken kam die eigentliche Mitgift hinzu, die mit 200.000 Dukaten alle Maßstäbe sprengte. Dass diese Summe aus den Kassen der Kirche bezahlt wurde, verstand sich von selbst. Darüber hinaus erhielt mit Ippolito d’Este ein Bruder des Bräutigams den Kardinalshut nebst zahlreichen lukrativen Benefizien.
    Das Fazit der politischen Beobachter war daher, dass sich die Este diese Heirat wahrlich teuer bezahlen ließen – und dass dem Papst diese Allianz einiges wert war! Doch er wusste sich schadlos zu halten. Im Sommer und Herbst 1501 setzten die Borgia zum Sturm auf die Colonna und ihre Verbündeten, die Savelli, an. Von der Grenze zum Königreich Neapel bis in die römische Umgebung fiel ihnen ein Kastell nach dem anderen in die Hände. Empfänger für diese Wohltaten standen bereit. Das galt auch für Lucrezias Lehen, denn ihr Besitz musste umgeschichtet werden, um nicht an die Este zu fallen. Überschrieben wurden diese Herrschaftsrechte zum einen
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