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Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Titel: Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)
Autoren: Volker Reinhardt
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standen sie jetzt mit einem Schlag allein. Und das hatte Folgen. Schon Mitte Oktober ging Urbino für Cesare wieder verloren. In dieser kritischen Lage traf Machiavelli den Sohn des Papstes erneut. Diesmal blieb er länger als zwei Monate in dessen engster Umgebung: Für Machiavelli war das eine einzigartige Gelegenheit, den Mann näher zu studieren, über dessen Absichten und Aussichten das politische Italien rätselte und diskutierte.

15. Cesare Borgia als Fuchs und Löwe
    Bei seinem Zusammentreffen mit Cesare Borgia stach Machiavelli der unerschütterliche Optimismus des «Duca Valentino» ins Auge, wie Cesare nach seinem französischen Herzogtum genannt wurde. Verstimmungen mit Ludwig XII.? Alles nur ein Irrtum, zudem längst bereinigt. Die Revolte seiner Adjutanten? Ebenfalls schon fast aus der Welt geschaffen, denn dabei ging es nicht um die Verteilung der Beute, sondern um Florenz. Machiavelli traute seinen Ohren nicht: Die Irritationen mit den «Unterfeldherren» waren angeblich nur durch den Schutz verursacht worden, den Cesare Borgia Machiavellis Auftraggebern am Arno hatte angedeihen lassen. Für Machiavelli war das alles frei, doch mit großem Geschick erfunden, denn so war Florenz dem Sohn des Papstes zu Gegenleistungen verpflichtet. Dazu kam die die übliche Prahlerei Cesares, die jetzt sogar noch dicker aufgetragen wurde als im Juni.
    Doch hinter dieser Fassade witterte der kluge Gesandte mehr. Gewiss, der unbeirrbare Glaube an die Gunst des Glücks, den die Borgia insgesamt an den Tag legten, erklärte vieles, doch nicht alles. Hinter den Kulissen liefen Vorbereitungen für einen großen Coup, von dieser Überzeugung ließ sich Machiavelli durch alle gegenteiligen Beteuerungen des Herzogs nicht abbringen. Mit etwas Psychologie ließ sich auch erraten, welches Manöver da insgeheim eingefädelt wurde: Es ging um Rache! Der Duca Valentino und sein Vater neigten nicht dazu, ihren Gegnern zu verzeihen. Wenn sie sich plötzlich christliche Feindesliebe auf die Fahnen schrieben, war für alle Seiten höchste Vorsicht angebracht.
    Im Herbst 1502 sandten die Borgia weitere Friedensbotschaften aus. Die eben noch so misstrauischen Verschwörer von La Magione ließen sich dadurch tatsächlich zum Einlenken bewegen. Als erster von ihnen scherte Paolo Orsini aus der Front der Borgia-Gegner aus, nachdem ihn Cesare zuvor mit Zuckerbrot und Peitsche traktiert hatte: Auf Vorwürfe hatte er Freundschaftsbeteuerungen, Versprechen und konkrete Angebote folgen lassen, denen der Emissär der Rebellen nicht widerstehen konnte. Seine Verbündeten ließen sich mehr oder weniger zögerlich ebenfalls zum Einlenken überreden. Für Machiavelli besiegelten sie damit ihren Untergang. An die Aufrichtigkeit dieser Versöhnung konnte im Ernst niemand glauben. Warum, so fragte er sich, sah er alleine die Flammenschrift an der Wand?
    Machiavelli konnte auf seinem diplomatischen Vorposten in der Romagna nicht wissen, dass er mit dieser Einschätzung nicht allein dastand. Auch der Gesandte der Republik Venedig glaubte nicht an die wundersame Erneuerung eines Einvernehmens, das es seiner Ansicht nach nie wirklich gegeben hatte. In dieser tiefen Skepsis bestätigten ihn kaum verschlüsselte Kommentare des Papstes zur aktuellen Lage. In Zeiten des Krieges, so Alexander VI., müsse man mit Hilfe der Lüge regieren. Das konnte nur so gemeint sein, dass die Rebellen zuerst eingelullt und dann gemäß der üblichen Strategie der Borgia liquidiert werden sollten. Im Laufe des Dezembers mehrten sich die Anzeichen dafür, dass Cesare Borgia einen solchen Anschlag plante. Für die Republik Florenz hing viel davon ab, dass er gelang. Wenn der Duca Valentino ihre Gegner, die Orsini, ausmanövrierte, durfte Florenz sich sicherer fühlen, denn die dann geschwächten römischen Barone waren mit den Medici verschwägert, die auf die Rückeroberung der Macht in Florenz hoffen. Aus diesem Grund musste Machiavelli weiterhin in der Umgebung des Herzogs aushalten. Was er dort zu tun hatte, war beiden Seiten klar: Er sollte so viele Informationen wie möglich sammeln und diese per Eilkurier nach Florenz weiterleiten, wo die Mitglieder der Stadtregierung mit atemloser Spannung auf seine Nachrichten warteten. Das lief de facto auf Spionage hinaus. Was Cesare Borgia mit Spitzeln machte, war bekannt: kurzen Prozess. Ende Dezember 1502 wurde Machiavelli krank. Schlug ihm der Stress der Observierung und des Observiert-Werdens auf den Magen – oder fürchtete er
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