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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
Autoren: Martha Sophie Marcus
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als schmerzhaft, aber harmlos herausgestellt und verheilte bereits. Eines der erbeuteten Pferde tauschte sie gegen ein braves Pony, das sie Juli schenkte, und gegen neue Vorräte. Zu guter Letzt warb sie sich mit Ritter Heinrichs Hilfe zwei vertrauenswürdige Waffenknechte an, die bereit waren, mit ihr nach Friesack zu ziehen.
    Eine Tagesreise und eine halbe nach diesem Aufenthalt in Brandenburg trafen sie in Friesack ein.
    Es war Mitte Oktober, und ihre Ankunft fiel auf die schönsten Tage des Herbstes. Die rot-goldenen Laubfarben des Waldes strahlten im Sonnenlicht, und die Luft roch würzig. Windstöße pflückten die auf ihren Fall wartenden Blätter von den Ästen und ließen sie zur Feier ihres Abschieds zu einem letzten Tanz durch die Luft wirbeln. Auf den Feldern nahe Friesack waren Bauern dabei, den Winterroggen zu säen.
    Hedwig schwieg und sog das Gefühl ein, nach dem sie sich so lange gesehnt hatte: Sie war heimgekehrt. In all der Zeit ihrer Abwesenheit hatte sie sich mit den fremden Landschaften und Städten abgefunden, sie oft auch bewundert und sich eingewöhnt, doch nie hatte sie sich so zugehörig gefühlt wie hier. Und das, obgleich es hier gar kein Heim für sie gab, sondern nur die nassen Ebenen, großen Wälder und eine schlecht behandelte alte Burg, in der keine Spuren ihres lang verlorenen Zuhauses mehr zu finden sein würden.
    Doch es würde ihr gelingen, sich dieses Zuhause neu zu erschaffen, die alte Burg wieder erstarken zu lassen, als Schutz für ihre Kinder und alle, die ihr zugehörig waren oder sich ihr anschließen wollten.
    Sie war so durchdrungen von der Kraft und Zielstrebigkeit, mit der diese Aufgabe sie erfüllte, dass sie der Begegnung mit dem ersten Hindernis auf diesem Weg geradezu freudig entgegenblickte. Den widerlichen von Bredow loszuwerden, würde nicht reibungslos vonstattengehen, doch es würde ihr eine Genugtuung sein.
    Als der kleine Zug aus drei Männern, einer Frau, einem Kind und zehn Pferden im Dorf einzog, wo die Leute sich bei ihrem Anblick erschrocken die Hüte von den Köpfen rissen und sich verneigten, erinnerte Hedwig sich daran, wie sie hier mit Adam und Irina angestarrt worden war. Damals hatten die Menschen ungehemmt gegafft, heute wagten sie nicht, den Blick zu ihr und ihren Begleitern zu erheben. Sie empfand weder das eine noch das andere als angenehm.
    Nur die Kinder verhielten sich ähnlich wie beim letzten Mal. Sie konnten ihre Neugier nicht bezwingen und folgten den Ankömmlingen in respektvoller Entfernung bis zum Burgtor.
    Hedwig betrachtete das Dorf und seine Bewohner genau. Alles erschien ihr noch weit ärmlicher und in erbärmlicherem Zustand als zuvor. Sie überlegte, ob es daran lag, dass sie inzwischen Prächtigeres gewöhnt war und ihr Blick sich deshalb verändert hatte. Doch dann sah sie, wie groß die jungen Birken waren, die aus den Mauerkronen der Burg wuchsen, und den Berg aus stinkendem, von Ratten wimmelndem Unrat, der sich an einer Stelle des fast leeren Burggrabens angehäuft hatte und der ihr gewiss auch früher schon aufgefallen wäre. Die Lücken in der Mauer waren nicht geschlossen worden.
    Ritter Heinrich hielt sich dicht an ihrer Seite, voll gerüstet und seine Waffen bereit, sie jederzeit zu verteidigen. Nicht ein einziges Mal hatte sie seit dem Überfall noch den Eindruck gehabt, dass er etwas nicht ernst nahm, was sie sagte, und er hatte ihr geschworen, ihr so lange beizustehen, wie sie Verwendung für ihn hatte.
    Im Inneren der Burg waren einige Knechte damit beschäftigt, ein totes Schwein zum Ausweiden aufzuhängen, während zwei noch lebende Tiere in der blutigen Erde neben den Pfählen wühlten. Eine Magd trug die zum Schlachten nötigen Schüsseln und Eimer herbei, sonst war kein Mensch zu sehen.
    So erstaunt, als würden sonst niemals Gäste in Friesack erscheinen, hielten die Leute in ihrer Arbeit inne und wechselten schnelle, ratlose Blicke, bevor sie sich verneigten. Hedwig ritt bis vor ihre Füße und sah auf sie herunter. » Einen gesegneten Tag und gesegnete Arbeit wünsche ich euch. Ist der Herr nicht im Haus? Sonst geht und kündigt ihm an, dass Hedwig von Quitzow gekommen ist und ihn zu sprechen wünscht.«
    Die Magd ließ einen hölzernen Eimer fallen und schlug die Hände zusammen, schwieg aber und riss nur ihre Augen noch weiter auf.
    Einer der Knechte kratzte sich mit seinen vom Schweineblut roten Fingern am Kopf. » Ja. Das würde ich schon. Aber, bitte um Verzeihung, hohe Herrin, der hochwohlgeborene
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