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Die Blumenwiese am Auge des Himmels

Titel: Die Blumenwiese am Auge des Himmels
Autoren: Willi Meinck
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sagenhaften Schneemenschen bewohnt wurden. Es war jedoch nur eine Ahnung, darum sprach sie noch nicht davon. Vielleicht wäre es besser gewesen, Kügelchen zu Rate zu ziehen, aber irgend etwas hielt sie zurück. Der Profi schwebte an der Decke und schlief. Sein Gurt hatte sich gelöst. Neben ihm schwebte ein zweiter Goldbarren, der ihm aus der Tasche geglitten war.
    „Er sieht so glücklich aus“, sagte Ella Pie. „Lassen wir ihn schlafen.“
    „Wo werden wir landen?“ fragte Kügelchen.
    „Wir haben nur noch eine Möglichkeit“, sagte Ella Pie ernst.
    „Und die wäre?“
    „Die Blumenwiese am Auge des Himmels.“
    Kügelchen erschrak. „Habe ich Sie recht verstanden?“ fragte er.

    „Sie kennen den See?“ fragte Ella Pie erstaunt. „Selbstverständlich. Unserer Forschung bleibt nichts verborgen. Allerdings war ich noch niemals dort. Das Auge des Himmels liegt in einem lieblichen Tal, dem man nicht ansieht, wie gefährlich es ist. Noch niemals ist jemand von diesem Ort zurückgekommen. Es heißt, daß zwischen den Gletschern riesige Schneemenschen herumtappen.“
    „So ganz sicher scheinen ja Ihre Forschungen nicht zu sein“, sagte Ella Pie, „aber befürchten Sie nichts, Kügelchen. Schließlich bin ich kein Mensch.“
    „Gewiß“, sagte Kügelchen. „Aber auch Ihre Zauberei hat Grenzen.“ Ella Pie lachte zum dritten Mal, und es war nicht ganz sicher, ob sie noch ein viertes Mal lachen würde.
    „Aber Kügelchen! Denken Sie etwa, ich hätte Ihre Verwandlung in eine silberne Kugel vergessen?“
    „Dabei handelte es sich um Wissenschaft.“
    „Ich weiß, Kügelchen. Doch streiten wir nicht. Ob Zauberei oder Wissenschaft, auf jeden Fall sollten wir uns ein wenig ausruhen.“
    Sie holte den Profi von der Decke, steckte ihm den Goldbarren wieder in die Tasche und schnallte ihn fest. Dem Flugkapitän befahl sie, die Automatik einzuschalten und

    den Wecker auf sieben Uhr abends, Ortszeit Auge des Himmels zu stellen. Dann schliefen sie nach der anstrengenden Nacht im Gewölbe von Fort Cox und der Zwischenlandung auf der Perlzwiebelinsel ein. Das Flugzeug verschwand im Erdschatten. Es wurde Nacht, Dämmerung, Tag. Alles vollzog sich schneller als auf der Erde, die sich unendlich langsam um ihre Achse drehte. Hätten sie nicht vorher die Luftkühler angestellt, wäre das Flugzeug bei der hohen Geschwindigkeit schon längst verglüht.
    Der Wecker schrillte rechtzeitig. Unter ihnen lagen die gewaltigen Gletscher mit dem funkelnden Auge des Himmels, das nicht größer als ein Edelstein von sechzig Karat zu sein schien. In Wirklichkeit war es ein großer, rätselhafter See, der aus der Tiefe der Erde gespeist wurde. Sie landeten im Schein der Abendsonne und befanden sich in einem Blütenmeer. Krokusse, Märzenbecher, Maiglöckchen in großer Zahl und viele unbekannte Blumen wurden vom kalten Hauch des Abends berührt und schlossen ihre Blüten. „Mir ist unheimlich zumute“, sagte der Profi.
    Der Mond ging über den Gletschern auf und zauberte eine silberne Straße auf das Auge des Himmels.
    „Warum unheimlich?“ fragte der sonst so schweigsame Flugkapitän. „Ich kann nur sagen, daß ich mich noch nie so wohl gefühlt habe wie jetzt.“
    Ella Pie hob warnend die Hand. „Halten Sie auf jeden Fall das Flugzeug startbereit.“
    „Diese wunderbare Stille! Und der Blütenduft“, sagte Kügelchen.
    „Nee“, meinte der Profi. „Morgen früh sind wir alle tot.“ „Na, na“, sagte Ella Pie. Aber ihre Stimme klang anders als sonst; denn irgend etwas stimmte hier nicht. Wie kam diese sommerliche Schönheit trotz der eisigen Gletscher in dieses Tal? Die Nachtluft war ungewöhnlich mild, von irgendwoher wehte ein warmer Hauch über den See und die Blumenwiese. Ella Pie dachte an die Schneemenschen. Gab es sie wirklich, oder waren sie eine Erfindung der Leute, die sich in der Bergwelt verirrt hatten? Sie spürte eine wohlige Mattigkeit in den Gliedern, sah ihre Begleiter ins Gras sinken und in tiefen Schlaf fallen. Vergebens wehrte sie sich gegen die Müdigkeit. Nicht einmal einen Zauberspruch vermochte sie zu murmeln. Das letzte, was sie wahrnahm, war das Flugzeug, riesengroß vor dem Auge des Himmels.
    Während sie schliefen, landete auf dem anderen Ufer des Sees das Weltraumschiff RZF 4 — 50 mit Meedscher Frie und den Leibwächtern. Halskette hatte nach ihrer Befreiung aus der Schatzkammer mit 39 Grad Fieber in Fort Cox Zurückbleiben müssen. Eine halbe Stunde später setzte Philipp Egon Miller,
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