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Die Blumenwiese am Auge des Himmels

Titel: Die Blumenwiese am Auge des Himmels
Autoren: Willi Meinck
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Pie.
    „Weil es sie nicht gibt. Man muß sie erst erfinden. Steigen Sie in Ihr Flugzeug ein und vergessen Sie, was Sie erlebt haben.“
    „Wo ist denn mein Flugzeug?“ fragte der Kapitän.
    „Vor Ihren Augen.“
    Wahrhaftig, das Flugzeug stand in voller Größe vor dem Auge des Himmels, als wäre es niemals weg gewesen, und der Doppeldecker des Detektivs sah daneben zwergenhaft wie eine Hummel aus.
    „Wollen Sie uns keine Erklärung abgeben?“ fragte Ella Pie. „Wenigstens mir?“
    „Auch Ihnen nicht, Ella Pie. Denken Sie darüber nach, daß jedes Ding in der Welt seine natürliche Ursache hat.“
    „Und weiter haben Sie mir nichts zu sagen?“
    „Nein!“ sagte der Große Vorsitzende, und auf einmal kam ein kleiner brauner Junge mit einem Vogelkäfig über die Wiese, in dem ein Kanarienvogel saß. Und der Junge hatte, wie es schien, überhaupt nichts mit dieser Geschichte zu tun, aber er kam gerade den Hügel hinunter, blieb vor der Zauberin und dem Großen Vorsitzenden stehen und kratzte sich den Kopf.
    „Er singt nicht mehr“, sagte er traurig, „und ich weiß nicht, warum.“
    „Laß ihn doch frei, dann singt er wieder“, sagte Herr Kügelchen.
    „Soll ich?“
    „Na klar!“ rief der Profi.
    Da öffnete der kleine braune Junge das Türchen und ließ den gefangenen Kanarienvogel frei. Der hüpfte auf die Wiese hinaus, pickte zwischen den Blumen im Gras herum und fing an zu singen, daß den Zuhörern die Herzen aufgingen.
    „Sehen Sie“, -sagte der Große Vorsitzende.
    Die Zauberin rückte ihre Jeanshose zurecht und steckte die Leinenbluse hinein. Es ging auf den Mittag zu. Trotzdem war es empfindlich kalt. Ein Wind hatte sich aufgemacht und blies die eisige Luft der Gletscher ins Tal. Die Blumen verschlossen sich.
    „Ich hoffe, Sie machen uns keine Schwierigkeiten, von hier wegzukommen“, sagte Ella Pie.
    Der Große Vorsitzende schwieg eine Weile. Dann sagte er: „Vielleicht wird man die Pflanze eines Tages erfinden. Bedenken Sie, was geschehen würde, wenn die Menschen plötzlich aufhörten zu forschen.“
    „Ja, was würde aus uns werden?“ rief Kügelchen. „Eingesperrt wären wir, wie ein Vogel, der nicht singt.“
    Da lachte die Zauberin zum viertenmal, und es war fast sicher, daß sie in dieser Geschichte zum letzten Mal gelacht hatte.
    „Also gehen wir!“ sagte sie.
    Gleich darauf verschwanden Ella Pie, Kügelchen, der Profi, der Flugkapitän und Philipp Egon Miller. Vera Zwo warf uns noch einen schönen Blick zu. Die beiden Glöckchen bimmelten an ihrem geflochtenen Gürtel. Dann ging auch sie.
    Zurück blieben der Große Vorsitzende und ICH. Die beiden Flugzeuge starteten und verschwanden im Weltraum, und auf einmal schwamm eine Schar Enten über das Auge des Himmels. Die Blumen öffneten sich wieder, und ich ahnte, daß diese ungeheure Stille der Tod gewesen wäre, wenn der Große Vorsitzende nicht die unterirdische Hei

    zung angestellt hätte. Lächelnd fragte er, warum ich denn geblieben sei, statt mit den anderen ins Land der Fischsuppen zurückzufliegen. Und ich dachte an die vielen schönen, feinen Kneipen auf dem Marktplatz von Ramdamedes. Und an die Abenteuer dachte ich, die ich mit der Zauberin Ella Pie, dem Profi und dem Flugkapitän noch hätte erleben können.
    Aber wer hätte dann wohl diese Geschichte aufgeschrieben?
    Der Große Vorsitzende rückte seinen gelben Schal zurecht und ging über die Blumenwiese. Und viele bunte Enten schwammen über das Auge des Himmels.
    Ja!

Impressum
    2. Auflage 1986 © DER KINDERBUCHVERLAG BERLIN - DDR 1983 Lizenz-Nr. 304-270/330/86-(45)
    Satz: Ostsee-Druck Rostock Druck und buchbinderische Verarbeitung: LVZ-Druckerei „Hermann Duncker“, Leipzig LSV7511 Für Leser von 10 Jahren an Bestell-Nr. 631838 0 00750
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