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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener
Autoren: Delia Sherman
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und der König sprang auf. Elinor hatte zusammen mit der Gräfin von Pascourt am Fuß des Scheiterhaufens gestanden.
    »Wachen!«, rief er über das Brüllen des Feuers hinweg. »Begießt die Ställe und die Schmiede mit Wasser. Und öffnet die Schlosstore weit. Wir müssen den Vorhof räumen.« Er wandte sich an Lord Brackton, der staunend neben ihm stand. »Kümmert Euch um Eure Nichte, Mylord, und um die Sicherheit von Lady Flower. Ich habe gesehen, wie sie nebeneinander nahe beim Scheiterhaufen standen.«
    Lord Brackton erbleichte, schluckte und bewegte sich unsicher auf die Stufen zu. Eine zischende Flammenzunge leckte die Stufen zum Schloss hinauf. Der neue Haushofmeister fiel auf die Knie und bekreuzigte sich mit zitternder Hand. Hinter ihm flehte seine Frau zu Gott.
    Es dauerte einige Zeit, bis die Menge bemerkte, dass Margarets Feuer keine Funken verstreute und sich nicht ausbreitete. Als die Zuschauer dies endlich begriffen, wich die Angst um ihr Leben einem eher geistigen Entsetzen. Mit fieberhafter Fröhlichkeit wandte sich König Lionel an den weißgesichtigen Erzbischof von Albia, der sich an seinem Rosenkranz festhielt: »Die Hölle hat unsere Gabe freudig angenommen, Erzbischof, und will nun unser Schloss besetzen und zu ihrem Vorhof machen. Könnt Ihr uns nicht von dieser infernalischen Heimsuchung befreien?«
    Mit zitternder Hand reckte der Erzbischof seinen Krummstab der Feuersbrunst entgegen und die Flammen erstarben. Es war, als ob sie nie gebrannt hätten. Die Luft war kühl und duftete süß; kein Gestank von verkohltem Fleisch oder Haar blieb zurück. Pfahl, Blutgerüst und Holz waren verschwunden und kein Aschestäubchen befand sich auf dem Steinpflaster. Von der Zauberin Margaret blieb weder ein Zahn noch ein schwelender Knochen übrig.
    Der König bekreuzigte sich flüchtig und rannte zu der Stelle im wimmelnden Schlosshof, wo er Elinor stehen gesehen hatte. Hinter ihm murmelten die Adligen von Herzen kommende Gebete und eine Frau schrie. Ein jeder hatte sich dort, wo er gerade stand, niedergekniet und dankte Gott. In der Mitte der Betenden starrte der König wild um sich, als befinde er sich wieder auf der unheimlichen Lichtung, kurz nachdem der Hirsch aus seinem Blickfeld entschwunden war.
    Eine in einen dunklen Mantel gekleidete Frau schritt vom Schlosstor her auf ihn zu. Sie bahnte sich langsam einen Weg durch die kniende Menge. Ein Gefühl der Erleichterung durchströmte Lionel, doch darauf folgte Überdruss. Sollten die Entschuldigungen und leeren Beteuerungen von neuem beginnen? Warum konnte Elinor nicht einfach wie ihr Gemahl und Sohn verschwinden? Die Frau kam näher. Nun erkannte Lionel, dass es nicht Elinor war; sie war viel kleiner. Also war Elinor fort – Elinor mit ihrem falschen Gesicht, ihrem falschen Körper und der falschen Liebe, die sie ihm versprochen hatte. Seltsamerweise schmerzte ihn ihr Verlust doch.
    Die Frau schlug ihre Kapuze zurück. Darunter kam Alyson Pascourts bleiches und tränenüberströmtes Gesicht zum Vorschein. Sie verneigte sich tief und feierlich und übergab dem König ein gefaltetes Pergament. Genauso feierlich dankte Lionel ihr und steckte das Pergament ein. Dann rief er seine Edelmänner zusammen und kehrte ins Schloss zurück. Hinter ihm wurden die Tore der großen Halle fest verriegelt.
    Die Verbrennung und ihre Nachwehen hatten nur einige Stunden in Anspruch genommen und nun erstreckte sich das endlos scheinende Fest von Allerheiligen wie Wüstensand vor Lionel. Er verspürte dasselbe Gefühl wie damals, als seine Mutter und Robin gestorben waren: aller Hoffnungen beraubt, einsam, trostlos, ungeliebt und von Erinnerungen heimgesucht. Elinor war fort; sie zog den Geist Williams wie einen Schatten hinter sich her. Margaret war fort, doch sie hatte ein Vermächtnis von Bedürfnissen und Verdächtigungen hinterlassen. Wie viele weitere Zauberer und Nekromanten lauerten noch innerhalb Albias Grenzen? Konnte der Zauberer Veneficus sie alle aufstöbern? Am meisten verlangte es Lionel danach, vor dem Feuer zu sitzen und zu grübeln oder seine Schwermut bei Lanzenkämpfen und Schwertspielen auszuschwitzen. Aber solche Übungen untersagte er sich um seines Seelenfriedens willen.
    Bittgesuche überhäuften noch immer seinen Schreibtisch; dazu kamen ein Vertrag über den Kauf von galentinischem Saatgut und ein Brief von König Arnaud, der zusammen mit einem Teil von Lissaudes Mitgift eingetroffen war. Verbissen versuchte Lionel die Pergamente in so etwas
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