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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener
Autoren: Delia Sherman
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benötigt Eure Hilfe in diesen Angelegenheiten, bis er sich an seine neue Aufgabe gewöhnt hat.«
    Elinor schüttelte den Kopf. »Es ist Eure Freundlichkeit, die mich hier behalten will, und das zählt mehr als alle anderen Gründe. Ich kümmere mich nicht um Geschwätz und auch der König wird mir nicht mehr nachstellen, denn ich glaube, ich habe seinen Stolz schwer verletzt. Es ist mein eigener Stolz, der mich fortruft. Ich will bei Hofe nicht lediglich geduldet sein. Und was Ratschläge für Lord Brackton angeht: Ihr wisst sehr wohl, dass Euer Gemahl mich nicht liebt – weder als Haushofmeister noch als Witwe noch als Busenfreundin seiner Frau. Von mir wird er keine Ratschläge annehmen. Er sollte sich besser an Euch wenden.«
    Lady Brackton lächelte. »Ein königlicher Haushalt unterscheidet sich tatsächlich nicht sehr von einem gräflichen und einem solchen habe ich mehr als vierzig Jahre lang vorgestanden.« Sie seufzte und schaute liebevoll zu der Tür, hinter welcher Lord Brackton sich verbarg. »Ja, Alfred ist stolz und stur und nimmt nicht gern Rat von anderen an, aber ich kann mit ihm reden wie niemand sonst. Ihr habt mich mit Euren Darlegungen vernichtend geschlagen. Ich kann nichts mehr gegen Eure Abreise vorbringen.« Sie faltete das Hemd zusammen, das sie gerade in der Hand hielt, stand auf und küsste Elinor auf die Stirn. »Ich wünsche Euch eine gute Reise, meine Liebe«, sagte sie und ging zu ihrem Gemahl.
    Lange nachdem die Kerzen heruntergebrannt waren und Lord und Lady Brackton sich zurückgezogen hatten, saß Alyson noch mit Elinor vor dem ersterbenden Kaminfeuer und starrte müßig auf den Glimmerschein, während Elinor die Kräuterpäckchen in ihrem Ledersack verstaute.
    »Ich will mit Euch gehen«, meine Alyson. Elinor schüttelte den Kopf, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen. »Was soll denn sonst aus mir werden?«
    Elinor lachte. »Ihr seid keine in einem Turm eingesperrte Prinzessin aus einem Troubadourlied, mein kleiner Vogel«, sagte sie. »Nur wenn Ihr jede Nahrung und jeden Trank verweigert, werdet Ihr vielleicht der Liebe wegen sterben.«
    Entrüstet starrte Alyson sie an und geriet ins Stottern. Elinor stellte den Sack beiseite, kniete sich vor dem Stuhl des jungen Mädchens nieder und nahm die zarten Finger in ihre starken, bäuerlichen Hände.
    »Hört mir zu, meine kleine Alyson, Gräfin von Pascourt. Hört gut zu. Auch wenn Ihr einmal verlobt wart, ist Euer Körper noch nicht der einer Frau und Euer Herz ist noch das eines Kindes. Ich habe so viel an Kummer, Erfahrung, Entbehrungen und Sorge erlebt, dass ich zweimal Eure Mutter sein könnte.
    Ihr habt gesagt, dass Ihr Euch nicht von mir trennen wollt und mich liebt. Doch Eure Liebe ist das Wehklagen eines Kleinkindes; es ist ein Verlangen nach Liebe. Ich selbst habe bereits vergessen, was Liebe ist. Ich fühle nichts mehr; es ist, als wäre mein Herz in Leinenbänder eingewickelt und so platt gequetscht wie einst meine Brüste. Ich könnte Euch nicht geben, was Ihr von mir verlangt.
    In Wirklichkeit wisst Ihr gar nicht, was Ihr verlangt. Die Troubadoure singen von fahrenden Rittern, von großen, weißen Rössern, klaren Junitagen und seidenen Zelten am Ende der Reise. Mein liebes Vögelchen, meine eigene Reise wird vollkommen anders sein. Ich bin weder Ritter noch Würdenträger und gehe daher zu Fuß; all meinen Reichtum trage ich auf dem Rücken. Ich gehe im Herbst los, laufe durch das sterbende Jahr und in eine Landschaft hinein, in der es Hungersnöte und die Geister der Kinder gibt, welche meine eigene Mutter getötet hat. Ich werde meine Heilkünste überall dort anwenden, wo es mir möglich ist, und mir damit mein Brot verdienen. Vielleicht verbringe ich den Rest meiner Jahre auf der Straße; vielleicht koche oder spüle ich in der Küche irgendeines Lords; vielleicht werde ich von Vogelfreien ermordet; vielleicht finde ich den Turm meiner Mutter und pflanze dort einen Garten an. Aber was immer ich auch tun werde – ich werde es allein tun.«
    Während dieser ganzen Rede hatte Alyson laut geschluchzt. Es war, als wolle sie durch ihre Tränen die Worte ertränken, die heiß in ihr brannten. »Aber Ihr nehmt Ned mit. Ned ist nur ein Küchenjunge und kann Euch nicht halb so innig lieben und dienen wie ich«, weinte sie.
    »Ned ist genauso stur wie du. Er folgt mir, ob ich will oder nicht. Ich erlaube es ihm nur, weil er ein Küchenjunge ist. Das Leben auf den Straßen des Königreichs ist kaum härter als das Leben in der
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