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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener
Autoren: Delia Sherman
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– wie sie eine Stimme in der Luft gehört, von ihrer Arbeit aufgeschaut und das Gesicht einer fremden Frau erblickt hatte, die sie anstarrte und wie ein Dämon aus der Tiefe der Hölle fluchte. Nein, zu jener Zeit hatte sie noch nicht gewusst, dass die Frau ihre Mutter war. Nein, sie hatte den Dämonen der Frau nicht befohlen, sich gegen ihre Herrin zu wenden. Ja, sie hatte aus den Worten und Taten der Frau geschlossen, dass es sich um die Zauberin aus dem Steinturm handelte. Dann erläuterte Elinor, warum sie König Lionel gegenüber vermutet hatte, dass ebendiese Zauberin der Grund aller Plagen und Hungersnöte in Albia war. Sie las aus der Schriftrolle des Magisters Lebbaeus vor, in der er seinen erfolglosen Versuch beschrieb, das mächtige Schutzritual König Johns des Magiers zu wiederholen. Als Lord Higham Margaret fragte, ob sie etwas zu den Anschuldigungen ihrer Tochter zu sagen habe, kauerte sich die Zauberin nur noch mehr zusammen und knurrte wütend.
    »Diese Verbrechen reichen aus, um dich zu verbrennen«, drohte Lord Higham, »denn du bist eine hundertfache Mörderin, weil du deine Dämonen auf uns gehetzt hast. Aber unser König klagt dich zweier besonderer Morde an: an Sir William Flower von Hartwick Manor und an seinem Sohn Henry Flower, einem Kind von gerade einem Jahr. Mein Gebieter, wie hörtet Ihr von diesem Verbrechen?«
    Nun erzählte König William dem Hof von seinem Abenteuer. Er begann mit dem weißen Hirsch, »den wir als Henry, die sprachlose Seele des Sohnes dieser Lady ansehen«, und endete mit dem zerstörten Herrenhaus, dem erbarmungswürdigen Grab und der weißen Taube, die bei ihrem Trauerlied blutige Tränen vergossen hatte. Als der König fertig war, senkte sich ehrfürchtige Stille über die Halle. Jeder Mann starrte die zusammengekrümmte, zerlumpte Gestalt der Zauberin und die beiden Personen neben ihr an.
    Mitten in dieser Stille erhob sich Margaret und schrie laut: »Sie ist mein Fluch und er mein Henker! Warum sollte ich meinen Tod nicht an jenen rächen, die vom Schicksal für ihn verantwortlich gemacht worden sind? Warum darf ich nicht versuchen, mein Leben zu retten?«
    »Sie verurteilt sich selbst!«, rief Lord Higham. »Jedes ihrer Worte ist eine Blasphemie.« Er wandte sich an die Adligen. »Was sagt Ihr, meine Lords? Ist diese Margaret unschuldig oder schuldig?«
    »Schuldig«, sagte Lord Brackton. »Schuldig«, meinte Lord Heanor, der neben ihm saß, und jeder andere Lord wiederholte diesen Spruch: »Schuldig.«
    »So sei es«, meinte König Lionel und stieg zu seinem Thron hinauf. »Lord-Oberrichter, sprecht das Urteil.«
    »Margaret, Zauberin des Steinturms, dieser Gerichtshof befindet dich des Verrats, der Hexerei und des Mordes für schuldig. Bei Sonnenaufgang sollst du lebendigen Leibes verbrannt werden. Möge Gott deiner Seele gnädig sein.«
    Margaret hob den Kopf, den sie hinter den Händen verborgen hatte, und sah den König und ihre Tochter mit wilder Verzweiflung an. Es hatte den Anschein, als ob sie laut losheulen wollte. Doch sie gab kein Wort und keinen Schrei von sich, als die Wachen sie aus der Halle trugen und zurück in die Zelle warfen.
    Kurz darauf besuchte ein Barfüßermönch sie in ihrem Gefängnis und fragte, ob sie bereuen und beichten wollte. Doch Margaret knurrte ihn nur an und rollte sich in der hintersten Ecke der Zelle zusammen. Sie wollte in ihrer letzten Nacht allein sein.
    Während Margaret im Schlossverlies die Morgendämmerung erwartete, saß Elinor in Lady Bracktons Gemächern und bereitete sich auf ihre Abreise vom Hof vor. Ein lederner Sack stand am Kamin. Davor waren Leinenhemden, wollene Laken, ein Holzbecher, eine Salztüte, ein Klappmesser und einige Päckchen mit getrockneten Kräutern ausgebreitet, in denen Alyson lustlos herumwühlte. In der Bettkammer seufzte Lady Brackton über Bestandsverzeichnissen und Rechnungen.
    Lady Brackton wollte, dass Elinor blieb. »Könnt Ihr Eure Abreise nicht wenigstens bis zum Frühling verschieben?«, fragte sie. »Unter meinem Schutz und dem Eurer Trauer braucht ihr weder üble Nachrede noch Belästigungen durch den König zu befürchten. Wenn Ihr geht, werde ich Euch schmerzlich vermissen, genau wie das kleine Mädchen.« Bei diesen Worten gab Alyson ein entrüstetes und tränenersticktes Schniefen von sich. »Wenn Freundschaft Euch nicht zum Bleiben bewegen kann, denkt doch daran, was ohne Euch aus Schloss Cygnesbury wird. Brackton kommt mit Verzeichnissen und Zahlen nicht zurecht und
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