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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus
Autoren: Johanna Nicholls
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Konzentration, während sie alle Kräfte bündelte, um die Flüche abzuwehren.
    »Die alte Hexe Patronella weiß genau, was sie tut. Es ist eine schwierige Sache. Alle unsere Ahnen mussten mithelfen, und es gab hitzige Debatten zwischen ihnen und meinem Sohn, der den Namen des Erzengels trägt.«
    Gabriel – nach seinem Tod war der Name zu schmerzhaft für seine Mutter geworden, als dass sie ihn hätte aussprechen können.
    »Hat mein Vater mit dir über mich gesprochen?«

    »Wer hat dich mehr geliebt als er – abgesehen von Gem?« Sie zeigte theatralisch auf einen leeren Stuhl. »Genau da hat er gesessen und so schön auf seiner Geige gespielt … ein Wunder, dass du ihn nicht gehört hast.«
    »Erzähl mir, was er gesagt hat, egal, ob es gut oder schlecht war«, bat Keziah.
    »Dein baxt liegt nicht in Wales, sondern in New South Wales, Tausende von Meilen entfernt auf der anderen Seite des schrecklichen Meeres.«
    »Um Gottes willen! Ich kann doch nicht schwimmen!«
    »Das spielt keine Rolle. Es ist dein Schicksal, Gem wiederzufinden. «
    Die Puri Dai hatte sie von Patronellas Flüchen erlöst. Von allen bis auf einen!
    »Das muss deine freie Entscheidung bleiben!« Sie nahm Keziahs Hand. »Wenn du in der Welt der gaujo einen falschen Schritt machst, wird er dich auf ewig verfolgen. Ich habe dir beigebracht, wie du dich vor den Tricks der gaujo hüten kannst. Aber auch ihre Freundlichkeit ist gefährlich. Nimm dich in Acht vor dem gaujo mit der silbernen Zunge. Ich sehe ihn mit einem großen Buch. Er möchte, dass du ihm vorliest.«
    Keziah zuckte abschätzig die Schultern. »Das lässt sich leicht umgehen. Ich kenne zwar die Buchstaben, kann aber keine Worte daraus bilden.«
    Die Puri Dai zog ihre Geldbörse hervor. »Du brauchst ein paar Silbermünzen für deine Reise. Und dies wird dich beschützen, ganz gleich, wo du unterwegs bist, zu Lande und zu Wasser.«
    Keziah schreckte vor dem silbernen Amulett zurück, das sie ihr reichte. »Nein, ich werde dir doch nicht deinen Glücksbringer wegnehmen.«
    »Ich befehle dir, ihn anzunehmen.« Das runzlige Gesicht der Puri Dai wurde sanft. »Das ist der letzte Dienst, den du mir erweisen kannst. Trag es immer bei dir.«
    Mit einem erstickten Aufschrei umarmte Keziah sie und strich
über die faltigen Wangen. Die Finger der alten Frau legten sich auf Keziahs Lider, eine stumme Aufforderung, zu schlafen, doch sie spürte, dass ihre Puri Dai noch eine Warnung vor ihr verbarg.
    »Weißt du, was mir in diesem neuen Wales am Ende der Welt bevorsteht?«
    »Ich sage dir die Wahrheit. Wenn du aus eigenem freien Willen entscheidest, den letzten Fluch anzunehmen, wird es in deinem Leben drei Männer geben.«
    »Drei?«
    »Ich sehe deutlich einen Mann mit rotgoldenem Haar – einen gaujo, wie du noch nie einem begegnet bist.«
    Keziah umklammerte das silberne Amulett, während die trockenen Tränen ihr die Kehle zuschnürten.
    »Gem ist der einzige Mann, der wichtig für mich ist. Ich will meinen Gem finden und mit ihm vereint sein.«
    »Du eigensinniges Ding! Hör auf meine Worte. Die Kräfte meines Amuletts sind begrenzt. Du musst Weisheit lernen, um dein eigenes Leben zu leben. Möge Del dich vor dir selbst beschützen. Eine Schönheit wie die deine ist ein Fluch, wenn das Herz allzu offen für die Liebe ist.«

DREI
    E s war der 1. Mai, und die Morgendämmerung über dem Weiler unweit des Cheshire-Dorfs Poulton-cum-Spittal war bereits angebrochen. Noch kaum richtig wach erhob sich Daniel Browne ängstlich von der Strohmatratze in der Scheune des Vikars. Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und trank einen Schluck Wasser aus einem angeschlagenen Porzellankrug. Dann stopfte er sich ein Stück trockenes Brot in die Tasche, schnappte sich die Harke und lief über den Pfad aus zerbrochenen Steinplatten auf das alte Pfarrhaus zu.
    Ausgerechnet heute durfte er nicht zu spät mit seinen täglichen Pflichten beginnen. All seine anderen Geburtstage waren unbeachtet und ohne Feier vergangen, doch der neunzehnte war etwas anderes. So viel stand auf dem Spiel, dass seine Hände zitterten, mehr aus Nervosität als wegen der Kälte.
    Bei der Arbeit wurde ihm bewusst, wie sehr sein schlaksiger Körper im letzten Jahr gewachsen war. Handgelenke und Knöchel lugten aus den abgetragenen Arbeitskleidern heraus, die er von einem älteren Gärtner geerbt hatte, als der im letzten Winter beim Schneeschippen gestorben war. Die Arbeit vermittelte ihm das Gefühl, irgendetwas zwischen Handlanger
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