Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die blaue Sonne der Paksi

Die blaue Sonne der Paksi

Titel: Die blaue Sonne der Paksi
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
sehen. Doch das war nicht das Nichts leerer Räume, sondern ein konturenloses, von allen Seiten gleichmäßig strahlendes Nichts. Aber auf irgend etwas standen sie, und Wände mußten ebenfalls existieren, nach den Schichtaufnahmen, die sie gemacht hatten. Hier war wohl auch ein Gang.
    Utta hatte ihren Instrumentenkoffer abgestellt und sich den Geräten zugewandt, die als einziges Unterscheidbare gleich am Eingang standen, deshalb hatte sie nicht diesen Eindruck der Grenzenlosigkeit.
    Ming legte Tondo die Hand auf die Schulter. „Es scheint, das war nicht nur für die Leute von der ‚Cotopaxi‘ zu hoch, sondern ist es auch für uns“, sagte er, und es war deutlich herauszuhören, was er eigentlich meinte: Nicht weitergehen, hierbleiben, nicht herumtappen und den Elefanten im Porzellanladen spielen!
    Dann wandte Ming die Augen ab. Er hielt wohl den Anblick nicht länger aus und drehte sich zu Utta, um ihr zu helfen.
    Tondo blieb ruhig stehen – nicht weil er mit Ming übereinstimmte, sondern weil er das deutliche Gefühl hatte, er müsse auf etwas warten, wenn er auch nicht hätte sagen können, worauf.
    Anscheinend begannen die Augen sich an das Licht zu gewöhnen, denn nach und nach schälten sich Umrisse heraus, erst schwach, Täuschungen ähnlich, dann immer deutlicher. Tondo erblickte einen Gang, und der sah merkwürdigerweise genauso aus, wie er ihn sich vorgestellt hatte, lang und leer und mit türlosen Durchgängen auf beiden Seiten. Er ging vorwärts, dem Gang folgend, und blickte in die Öffnungen rechts und links. Sie glänzten alle in dem gleichen milchigen Licht, das zuvor auch den Gang unsichtbar gemacht hatte.
    Tondo blieb vor irgendeiner der Öffnungen stehen. Und nach und nach wurden auch diesmal dahinter die Konturen eines Raumes sichtbar.
    Also gewöhnt sich nicht das Auge an das Licht, sondern das Licht an das Auge, stellte Tondo fest und lächelte über diese paradoxe Formulierung. Aber dann stutzte er – irgend etwas in der Art mußte es sein.
     



Er betrat den Raum. Fast quadratisch, dachte er. Warum nicht rund? Was für ein Unsinn, wieso rund, rund – Tondo erstarrte: Vor seinen Augen wurde der Raum rund, kugelförmig. Nicht weniger erstaunlich war, daß er das überhaupt bemerkte, ohne das Vorhandensein von Ecken, Kanten und Farbkontrasten hätte er es eigentlich gar nicht sehen dürfen. Es verwirrte ihn, und ohne weiter nachzudenken, wünschte er sich den Raum wieder würfelförmig. Und der Raum richtete sich nach seinem Wunsch.
    Jetzt erschrak Tondo. Wenn er mit seinen Wünschen Reaktionen auslöste, dann mußte er sehr vorsichtig sein, wer weiß, was er ohne böse Absicht alles bewirken konnte! Wenngleich – ein so perfekt funktionierendes System mußte ja Sicherungen haben. Der Gedanke machte ihm wieder Mut. Immerhin war ihm jetzt klar, daß die Anlage vor den Paksi geschützt werden mußte, wenigstens bis sie eine gewisse gesellschaftliche Reife erreicht hatten. Wenn die Kuppel alle Wünsche so erfüllte wie eben seine…!
    Dann aber drängten sich ihm einfache, sachliche Fragen auf: Hatte der Raum sich wirklich oder nur in seinen Vorstellungen verändert? Und der Gang, der genauso ausgesehen hatte, wie er ihn sich vorgestellt hatte – existierte der wirklich oder…? Aber er war ihn doch entlanggegangen, wenigstens der Boden unter seinen Füßen mußte real sein. Also entweder hatte sich der Raum wirklich verformt, dann hätte er aber nicht sagen können, wie das bewerkstelligt worden war, oder die Verformung bestand nur in seiner Phantasie – und dann galt eigentlich das gleiche. Er griff nach der Wand und fühlte sie, aber im selben Augenblick sagte er sich: Ein System, das die optische Wahrnehmung täuschen konnte, war wohl ebensogut in der Lage, die taktile Wahrnehmung zu täuschen.
    Nein, die scheinbar einfachen, praktischen Fragen waren hier die kompliziertesten. Weitere Einsichten konnte er wohl zunächst nur dem System als Ganzem entlocken. Er mußte sich wiederum etwas wünschen, Antworten auf seine wichtigsten Fragen, aber Vorsicht: Keine Aktion, nur Information! Zum Beispiel: Wie sahen die Erbauer der Kuppel aus? Wie sahen sie aus? Wie – sahen – sie – aus?
    Tondo hatte diesen Satz so intensiv wie möglich gedacht, aber nichts veränderte sich. Er überlegte, warum diesmal nichts geschah. Worin bestand der Unterschied zu vorhin? Richtig, den Gang und den Raum hatte er sich bildlich vorgestellt, so wie er sie vermutete nach den Schichtaufnahmen, die sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher