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Die Bibel

Die Bibel

Titel: Die Bibel
Autoren: Christian Nürnberger
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Religionen kaum mehr zu unterscheiden ist.
    Allerdings: Auch das Timing war von teuflischer Genialität. Die Durchsetzung des Christentums fiel zeitlich in den Zerfall des Römischen Reiches und den Beginn der Völkerwanderung. Die Christen schlitterten in eine historische Umbruchphase hinein, in der ihnen die Aufgabe zufiel, ein altes Reich zu liquidieren und ein neues aufzubauen. Mitten im Chaos mussten sie eine neue Ordnung etablieren, die Germanen zivilisieren und sich um Politik, Wirtschaft, Verkehr, Recht, Bildung, Verteidigung und die innere Sicherheit kümmern. Für Gott blieb keine Zeit mehr, und so haben sich die vielbeschäftigten Manager des neuen Reiches im Lauf der Jahrhunderte immer weiter von ihren Ursprüngen entfernt, sich immer tiefer in die Händel der Welt verstrickt und dabei verschlissen.
    Dem im 4.   Jahrhundert besiegelten Bündnis von Thron und Altar folgten Inquisition, Scheiterhaufen und Hexenverbrennungen, die Ausbeutung und Unterdrückung der Schwachen durch den privilegierten Klerus, die Unterdrückung und Manipulation von Wahrheit, die Unterdrückung der Meinungs- und Glaubensfreiheit, Kriege und Kreuzzüge im Namen Gottes, Missionierung der Heiden durch Feuer und Schwert, Ausrottung der Indianer im Namen Christi, Imperialismus, Kolonialismus und Versklavung der Schwarzen unter kirchlicher Duldung, Segnung der Kanonen und kirchlich genährter Antisemitismus.
    Aber: Dass wir dies heute alles wissen, dass man dies schreiben darf, ohne um sein Leben fürchten zu müssen, verdanken wir der Tatsache, dass der von der jüdisch-christlichen Religionursprünglich selbst in die Welt gesetzte aufklärerische Impetus sich am Ende des Mittelalters gegen die Kirche gekehrt und die Neuzeit und die säkulare Welt vorbereitet hat. Damit hatte die Kirche selbst ihre eigene Entmachtung ermöglicht.
    Doch wie konnte sich diese schon früh verlotterte und verkommene Kirche so viele Jahrhunderte am Leben erhalten? Eine gängige Antwort lautet, eben wegen dieses unseligen Bündnisses von Thron und Altar habe die Kirche die Jahrhunderte überdauert und sei dadurch selbst immer mächtiger und reicher geworden. Das ist nur zu einem Drittel richtig.
    Das zweite Drittel der Wahrheit lautet: Die Christen der ersten drei Jahrhunderte hatten ein Glaubenskapital angehäuft, von dessen Erträgen die Kirche noch lange gut leben konnte, zumal dieses Glaubenskapital später auch noch mit enormem wirtschaftlichem Kapital gepolstert wurde.
    Zum Dritten: Wie verkommen und verlottert sie auch immer gewesen sein mag, stets hat sie die alten Geschichten ihres Ursprungs durch die Jahrhunderte getragen, die alten Texte vorgelesen. Mag der, der da liest, auch ein gottverdammter Heuchler sein, er liest immerhin und viele hören es.
    Nicht alle hören es. Meistens sind es nur Minderheiten, die es hören, und von denen sind es wieder nur wenige, die von dem Wort getroffen werden wie vom Blitz. Aber dieser Blitz schlägt immer wieder ein, und das führt dann bei den Getroffenen dazu, dass sich ihr Leben ändert. Sie rotten sich dann mit anderen zu einer Reform- und Protestbewegung zusammen, etwa in einem Kloster, und bringen die Kirche wieder auf Kurs. So ist es kein Zufall, dass gerade in jenem 6.   Jahrhundert, in dem die Kirche schon fast nicht mehr vom Heidentum zu unterscheiden war, Benedikt von Nursia auf dem Monte Cassino ein Kloster baut und damit das abendländische Mönchtum begründet.
    Es war der Protest gegen die Staatskirche, aber nicht das, was Jesus eigentlich wollte – sonst wäre er Mitglied in der Mönchsgemeinschaftder Essener gewesen. Mönchisches Leben ist bereits ein Ersatz für das verloren gegangene Leben in den Urgemeinden. Die Mönche praktizieren das Christentum stellvertretend für das zwangsgetaufte Volk. Immerhin halten die Mönche damit die Erinnerung an Kirche als Gegengesellschaft wach.
    Mit ihrer freiwilligen Verpflichtung auf Armut, Gehorsam und Keuschheit sind sie es wenigstens noch, die weithin sichtbar auf jenen radikalen Anspruch des Christentums hinweisen, den Bischöfe, Pfarrer und Normalchristen schon lange nicht mehr erfüllen. Die Mönche distanzieren sich damit von den drei großen Götzen der Welt: Geld, Macht und Sex.
    Indem sie diesen Mächten widerstehen, bringen sie das eigentlich Christliche zum Leuchten und teilen mit, dass sie ihre Energie lieber in die Gestaltung einer lebenswerten Welt für alle stecken als in die mörderischen Kämpfe um Macht, Erfolg, Reichtum, Glamour,
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