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Die Bibel

Die Bibel

Titel: Die Bibel
Autoren: Christian Nürnberger
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zielgruppengerechten Dienstleistungen – gefühligen Taufzeremonien, professionellem Kommunions- und Konfirmations-Service, rauschenden Hochzeits-Events, schicken Trauerzeremonien – soll die Kirche wieder massenkompatibel und der Kunde spendenbereit gemacht werden.
    Die Kirche folgt diesen Ratschlägen, je nach Bischof mehr oder weniger. Je mehr sie ihnen folgt, desto deutlicher gesteht sie öffentlich ein, dass sie ihrer eigenen Verkündigung nicht mehr glaubt. Wo sie gehorsam die Ratschläge ihrer Berater befolgt, gliedert sie sich brav ein in den Zirkus um Brot und Spiele. Die Botschaft vom Kreuz wird umfunktioniert zur Wellness-Religion. Dem ewig um sich selbst kreisenden, von Stress und Ängsten geplagten Individuum verkauft die Kirche alte Werte und moderne Spiritualität, zeitlose Wahrheiten und neue Mystik, innere Ruhe und sanfte Entspannung durch Entschleunigung. Enjoy it, Kraft durch Freude, lautet das Motto der New Church.
    Zum Tanz ums goldene Selbst liefert die New Church die Musik, den Text und die Noten: «in Einklang mit sich selbst leben», «sich selbst vergeben», «gut zu sich selbst sein», «mit sich selbst eins werden», «sich selbst nicht wehtun», «zum Grund des eigenen Lebens finden», «sich der Kraft der eigenen Seele anvertrauen», «auf die Träume des eigenen Herzens hören» – so tönt es dem Sinn-Nachfrageraus christlichen Traktätchen, Einladungen zu Meditationswochenenden und Werbebroschüren für den Aufenthalt im «Kloster auf Zeit» entgegen.
    Die Kirche wagt den Exodus, allerdings nicht ins Gelobte Land, sondern in jene postindustriellen Industriegebiete der Freizeit- und Spaßgesellschaft, in denen sich schon die Beautyfarmen, Badelandschaften und Ayurveda-Tempel angesiedelt haben. Unter den säkularen Zirkusnummern ist auch noch Platz für ein paar kirchliche.
    Konsequent angewandt, wird diese Methode sogar zum Erfolg führen. Konsequent betriebenes Marketing zeitigt in einer Markt- und Konsumgesellschaft immer irgendwelche Erfolge. Eine Kirche, die nicht mehr Salz der Erde sein, sondern nur noch das Leben derer, die schon alles haben, überzuckern will, wird zweifellos finanziell gut über die Runden kommen.
    Geld lässt sich damit gewiss machen. Das Reich Gottes nicht. Zu neuem Glauben wird so eine Kirche keinen einzigen Menschen erwecken. Geistig wird sie so tot sein wie die weltweite Community of Bacardi, die aber beweist, dass man auch ganz ohne Geist seinen Spaß haben kann.
     
    Es gäbe indes neben Fundamentalismus, Kirche als Verkaufsshow und der Kombination von beidem noch eine dritte, zugegeben etwas aus der Mode gekommene Möglichkeit: Kirche als Volk Gottes. Kirche als Produzent eines neuen Glaubenskapitals.
    Gewiss, sie hat vergessen, wie man das macht und wie das geht. Aber sie könnte ja die Buchdeckel ihrer kurzlebigen Management- und Know-how-Literatur einfach zuklappen und ausnahmsweise mal wieder jenes alte Buch aufschlagen, in dem steht, was in der Kirche zu tun ist, wenn es nicht mehr weitergeht.
    Es ist ein Buch voller Geschichten über einen Gott, der treu zu seinem Volk steht und nur darauf wartet, dass es nach seinem Willen fragt und ihn tut. Dann hilft er.
    Natürlich: Schrecklich fremde Worte   – Umkehr, Buße, Exodus – lehrt dieses Buch. Befremdende Geschichten – von Abraham und Isaak, von Hiob, Jesu Tod am Kreuz, Gottes totalem Anspruch – erzählt es. Aber so fremd das auch in allen Ohren klingt, darin steckt die Weisheit der Kirche, die spezifische Lösung des Volkes Gottes für die Probleme jeder Zeit.
    Die Kirche könnte in dem Buch lesen, dass das Volk Israel 1500   Jahre nach seinem Exodus aus Ägypten in einer ähnlichen Situation war wie die Kirche heute. Damals hat ein Mensch namens Johannes gesehen, dass sich der Glaube seines Volkes erschöpft hatte. Er überlegte, wie sein Volk zu neuen Kräften kommen könnte. Und er fand eine Lösung, die jener der heutigen Kirche diametral zuwider läuft. Statt den Leuten hinterherzurennen und ihnen die Botschaft Gottes wie Sauerbier anzutragen, ging er hinaus an den Rand der Wüste und mutete den Leuten zu, sich zu ihm auf den Weg zu machen.
    Johannes der Täufer führte seine Zeitgenossen genau an die Stelle des Jordan, an der 1500   Jahre zuvor sein Volk aus der Wüste ins verheißene Land eingezogen war. Dort empfing er sie nicht mit lifestyligen Wohlfühlpillen, sondern konfrontierte sie mit dem fremden, befremdlichen, stets unangenehmen Willen Gottes. Statt von Wellness
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