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Die Bibel

Die Bibel

Titel: Die Bibel
Autoren: Christian Nürnberger
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das Schiff gesunken ist, etwas in einem unbeeindruckt und ohne Angabe vernünftiger Gründe einfach weiterglaubt – vielleicht die angemessene Form des Glaubens in der heutigen Zeit.

Eine tragische Geschichte
    Ein Christ fragt einen Juden, warum er sich so hartnäckig weigere, Jesus als Messias anzuerkennen. «Weil er nicht der Messias sein kann», sagt der Jude. «Warum kann er es nicht sein?», fragt der Christ. Daraufhin öffnet der Jude das Fenster seiner Wohnung, bittet den Christen, hinauszuschauen, und sagt: «Da siehst du, warum der Messias noch nicht da gewesen sein kann.»
    Da draußen in der Welt hat sich seit den Tagen Jesu nichts geändert,deshalb kann Jesus nicht der Messias gewesen sein. In der Welt heute müsste es doch komplett anders zugehen, wenn der Messias tatsächlich da gewesen wäre. Die Nachrichten im Fernsehen müssten andere sein, wenn es stimmte, was die Christen seit zweitausend Jahren behaupten: Das Reich Gottes ist angebrochen.
    Die heutige Kirche unterschätzt die Wucht dieser zweifelnden Anfrage der Juden. Die Kirche hat das Reich Gottes ins Jenseits verlegt, in die Seele und das Innere des Menschen. Sie unternimmt nichts dagegen, dass so viele Gläubige in Mystik und Spiritualität flüchten und sich nur noch um ihr individuelles Seelenheil kümmern, statt um die Welt. Die Kirche überlässt die Welt der Politik, und dieser erteilt sie kluge Ratschläge.
    Dabei war das Reich Gottes ja tatsächlich schon einmal angebrochen, nämlich in den ersten drei Jahrhunderten der Christenheit. Aber dann ist es offenbar wieder zusammengebrochen. Was ist da eigentlich passiert?
    Es ist eine tragische Geschichte. Der Teufel selbst muss Regie geführt haben. Die von römischen Machthabern verfolgten Christen beteten fast dreihundert Jahre lang um einen Herrscher, der endlich aufhört mit dem Christenmassakrieren. Sie flehten Gott an, er möge doch einen Kaiser schicken, der sie endlich in Ruhe lasse. Und das Flehen wurde erhört. Kaiser Konstantin der Große gewährte im Jahr 313 den Christen die volle Gleichberechtigung im Staat. Ab sofort waren sie frei von allen Einschränkungen und Repressalien.
    Der Kaiser gewährte die neuen Rechte nicht nur aus der politischen Einsicht heraus, dass diese Christen ja doch nicht mehr auszurotten seien, sondern aus echter Sympathie für sie und ihre Lehre. Diese Sympathie ließ er sie spüren. Die Christen jubelten darüber. Nach Jahrhunderten der Verfolgung konnten sie sich zum ersten Mal frei und ohne Angst bewegen im ganzen Reich. Für den Kirchenhistoriker Eusebios war Konstantin ein Diener und Freund Gottes. Vielleicht war er es ein bisschen zu sehr.
    Nach einem Jahrzehnt der Gleichstellung von Christen und Heiden begann Konstantin, die Christen im Reich zu bevorzugen. Er verbot jetzt seinen heidnischen Beamten, was früher den Christen verboten war: das öffentliche Bekenntnis ihres Glaubens durch Opfergaben. Außerdem besetzte er immer mehr Beamtenstellen mit Christen, und 321 führte er die Sonntagsfeier per Gesetz ein.
    Was die Stunde geschlagen hatte, wurde öffentlich sichtbar, als Konstantin im Jahr 325 den zwanzigsten Jahrestag seines Regierungsantrittes feierte. Da war er umgeben von den Bischöfen des Konzils von Nicäa. Noch vor wenigen Jahrzehnten hätte dort bei solch einem Anlass die heidnische Oberschicht gesessen. Die Welt hatte sich gedreht, das Christentum gesiegt. Die Christen deuteten es als Beweis für die Wahrheit ihres Glaubens und das Handeln Gottes in der Welt. Eigentlich hätten jetzt die ersten Alarmglocken schrillen müssen, denn Gott denkt nicht in den Kategorien von Sieg und Niederlage. Vielleicht haben sie ja geschrillt, aber wurden im Jubel nicht gehört.
    Taufen ließ sich der Kaiser erst auf dem Totenbett, aber lange zuvor schon war er im Herzen Christ geworden und machte die Angelegenheiten und Sorgen der Kirche zu seinen eigenen. Die Kirche war ihm dafür so dankbar, dass sie nun ihrerseits des Kaisers Angelegenheiten als die eigenen betrachtete.
    In aller Unschuld und in der festen Überzeugung, Gott wolle es so, wurden Thron und Altar zu Komplizen. Eusebius berichtet noch völlig unbefangen und voll des Lobes für Konstantin, dass nun «die Bischöfe kaiserliche Schreiben, Ehrungen und Geldzuwendungen erhielten». Mehr noch als das Geld und die Schreiben und Ehrungen beglückte Eusebius, dass aus einem Feind ein Bruder geworden war, und es sich bei diesem neuen Bruder zufällig um den mächtigsten Mann der Welt
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