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Die Bibel

Die Bibel

Titel: Die Bibel
Autoren: Christian Nürnberger
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soll der Mensch nicht scheiden
. Das erste Paar der Weltgeschichte tritt ins Dasein und wird über Jahrtausende die Phantasie von Malern und Dichtern beschäftigen. Es wird Theologen und Philosophen dazu verleiten, aus jedem einzelnen Satz und jedem einzelnen Wort «Erkenntnisse» über das Verhältnis von Mann und Frau, das Wesen des Menschen, die Ordnung der Welt und die Ordnung der Dinge herauszulesen, die so niemals im Text gestanden haben.
    Das Paar wusste nichts davon, sonst hätte es sicher manches anders gemacht. Oder wäre unter der Last seiner Verantwortung zusammengebrochen.

Sündenfall – die Schlange war’s!
    Nun könnten Adam und Eva es sich einrichten im Garten Eden. Sie könnten einander nahe sein. Sie könnten Gott nahe sein, der jeden Tag in der Abendkühle im Garten spazieren geht. Oder den Tieren.
    Da nähert sich ausgerechnet das listigste aller Tiere, die Schlange. Sie wurde später von der Kirche mit dem Teufel gleichgesetzt, dem großen Versucher, aber davon steht hier noch nichts. Es ist nur von der Schlange die Rede, ihrer infamen Lust an der Zwietracht und ihrer List, die sich in der Frage zeigt, mit der sie Eva in ein kurzes, folgenschweres Gespräch verwickelt:
Hat Gott wirklich gesagt, dass ihr von diesen Bäumen nicht essen dürft?
    Die Schlange weiß, dass Gott keineswegs den Genuss der Früchte aller Bäume verboten hat, und mit dieser als Frage getarnten Verdrehung der Tatsachen ermöglicht sie Eva die Richtigstellung. Und lenkt sie zum Thema.
    Eva antwortet also:
Nein, nein, von den Früchten aller Bäume im Garten dürfen wir essen, nur von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esst nicht davon, rührt’s auch nicht an, dass ihr nicht sterbt
.
    Eva verteidigt Gott gegen die Unterstellung, aber in ihrem Eifer übertreibt sie ein wenig die Strenge des göttlichen Verbots. Dass der Baum nicht einmal berührt werden darf, hat Gott nie gesagt. Die Schlange wittert ihre Chance und spritzt ihr Gift in das Vertrauensverhältnis zwischen Gott und Eva:
Ihr werdet mitnichten des Todes sterben, sondern Gott weiß, dass, wenn ihr davon esst, eure Augen aufgetan werden, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist
.
    «Wissen, was gut und böse ist» hat in der Sprache des Alten Testaments eine umfassendere Bedeutung als in unserer Sprache. Die Erkenntnis von Gut und Böse meint hier Allwissenheit und zugleich Allmacht. Die Schlange hat also in Eva den Wunsch erweckt,allwissend und allmächtig zu werden wie Gott. Noch könnte Eva die Wirkung des Schlangengifts neutralisieren, indem sie einfach nein sagt.
    Eva aber sagt nichts, schaut auf den Baum, sieht,
dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er lieblich anzusehen und ein lustiger Baum wäre, weil er klug machte. Und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann auch davon, und er aß
. In Sekundenschnelle hat das Gift seine Wirkung entfaltet, und die christlichen Maler werden später diesen weltgeschichtlich bedeutsamen Augenblick immer wieder malen, immer wieder anders, aber stets mit einem Apfel, obwohl nirgendwo gesagt wurde, dass es sich bei der verbotenen Frucht um einen Apfel handelte.
    Wie selbstverständlich, ohne innere Erschütterungen oder Zweifel, ist das Furchtbare einfach geschehen. Und wie selbstverständlich wird Adam in den Vertrauensbruch einbezogen. Kein Wort der Widerrede von ihm, nicht einmal eine Warnung.
    So wie Eva nach der verbotenen Frucht griff, hineinbiss, sie an Adam weiterreichte, der sie annahm (in der Hoffnung, dass die Folgen so schlimm schon nicht sein würden), so übertreten die Menschen seither Gottes Gebot und machen damit die menschliche Geschichte zu einer Folge von Katastrophen.
    Deshalb setzt der Erzähler den Baum der Erkenntnis mitten in den Garten Eden. Er lebt in einem Land, das auf eine mehrtausendjährige Kulturgeschichte zurückblickt. Sumerer, Babylonier, Ägypter, Perser, Philister, Hethiter haben dort ihre Spuren hinterlassen und Geschichte geschrieben. Er fragt sich, woher es kommt, dass die Geschichte des Menschen eine unaufhörliche Folge von Katastrophen ist.
    Hass, Neid und Rivalität beherrschen die Menschen. Mord und Totschlag begleiten sie. Völker fallen übereinander her, Heere verwüsten bei ihren Raubzügen die Häuser und das Land, brandschatzen, vergewaltigen die Frauen, foltern und quälen Männer, Frauen und Kinder, immer wieder, von Anfang an, und immer weiter.
    Heute, dreitausend Jahre nach der Niederschrift der
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