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Die Bibel

Die Bibel

Titel: Die Bibel
Autoren: Christian Nürnberger
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Sündenfall-Erzählung, erscheint uns die Geschichte der Menschheit nicht viel anders, sondern nur als Verlängerung des Vergangenen. Wenn wir fragen, warum, sind unsere Antworten vielleicht komplizierter, aber kaum klüger als die des biblischen Erzählers, der sagt: Der Mensch ist nicht abgrundtief böse, er geht mit Gottes Gebot nur leichtfertig um, aber aus ebendieser Leichtfertigkeit entwickelt sich das Böse.
    Die nächste Geschichte nach dem Sündenfall, dieser ersten Grenzverletzung aus Leichtfertigkeit, wird von Kain und Abel erzählen und vom ersten Mord in der Menschheitsgeschichte.
    Menschen brauchen Grenzen, das klingt banal, aber nie war diese Grenzsetzung aktueller als heute, da wir im Begriff sind, technische Mittel zu entwickeln, die es uns ermöglichen, Menschen zu klonen und künstlich herzustellen. Gottes Gebot, uns die Erde untertan zu machen, haben wir erfüllt, so weit, dass wir jetzt in der Lage sind, jene Grenze zu überschreiten, jenseits deren wir sein können wie Gott. Die Versuchung, es auszuprobieren, ist gewaltig.
    Unser Wissen und Können ist seit Adam und Eva exponentiell gewachsen. An unserem leichtfertigen Umgang damit hat sich seit Adam und Eva nichts geändert. Mit der gleichen Leichtfertigkeit, mit der Eva nach der verbotenen Frucht griff, werden künftig Menschen einfach deshalb genetisch manipuliert, weil es eine Nachfrage dafür gibt. Was sich rechnet, wird gemacht. Was der Mensch kann, tut er. Die nächsten Katastrophen sind programmiert.
    Von der Schlange ist im weiteren Verlauf der biblischen Erzählung nicht mehr die Rede. Sie kann sich jetzt laben an dem Elend, in das sich Adam und Eva selbst manövriert haben:
Da wurden ihrer beiden Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und bedeckten sich mit Feigenblättern.
    Die Schlange sprach also die Wahrheit: Die Menschen mussten nicht sterben. Stattdessen
wurden ihrer beiden Augen aufgetan
.
    Und die Schlange sprach die Unwahrheit: Adam und Eva sindnicht gottgleich geworden, sondern finden sich als gewöhnliche Menschen wieder, nackt und bloß. Lügen mit Hilfe von Halbwahrheiten ist stets die wirkungsvollste Form der Lüge.
    Konnte man erwarten, dass Adam und Eva Reue zeigen, beichten, um Vergebung bitten? Rechtfertigungen und Schuldzuweisungen sind stets das Wahrscheinlichere. Wir erleben es im Fortgang der Geschichte.
    Gott macht seinen Abendspaziergang im Garten. Adam und Eva verstecken sich.
    Adam, wo bist du?
, ruft Gott. Und Adam antwortet:
Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich, denn ich bin nackt
.
    Nun weiß Gott Bescheid, und er stellt Adam zur Rede. Dessen Antwort ist typisch menschlich:
Das Weib, das du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum, und ich aß
. Gleich eine doppelte Schuldzuweisung: Eva ist verantwortlich, aber auch Gott, dem Adam das Weib zu verdanken hat.
    Gott fragt Eva:
Warum hast du das getan?
Und Eva antwortet:
Die Schlange betrog mich also, dass ich aß
.
    Eva war es auch nicht, die Schlange war’s.
    Die Menschen haben noch nicht begriffen, was sie angerichtet haben, darum machen sie alles noch schlimmer. Sie zerrütten ihr ohnehin gebrochenes Verhältnis zu Gott nur noch weiter und damit auch ihr Verhältnis untereinander. Adam verrät Eva. Eva wälzt ihre Verantwortung auf die Schlange ab. Mit Feigenblättern versuchen sie, ihre Schuld zu verdecken, und merken doch zugleich, dass alle Feigenblätter dieser Welt nicht reichen würden, um das Offensichtliche zu verbergen. Und auch nicht, um die Tat ungeschehen zu machen.
    Unter den Feigenblättern pflanzt sich die Ursünde fort und fort, Hass nährt den Hass, Gewalt zeugt Gewalt, jedes Kind wird in eine Geschichte hineingeboren, die geschwängert ist von der Schuld seiner Eltern und Großeltern und der ganzen menschlichen Gesellschaft – das ist gemeint mit dem Begriff der Erbsünde.
    Auch die Rivalität zwischen den Geschlechtern nimmt ihren Anfang. Adam und Eva haben versagt, aber, so wird schon bald gefragt werden, hat Eva nicht ein bisschen mehr versagt in dieser «Apfelaffäre»?
    Nach einer jüdischen Legende aus dem Mittelalter war es die klare Absicht der Schlange, Eva anzusprechen, denn die Schlange sucht sich ihr Opfer mit Bedacht aus: «Wenn ich mit dem Mann spreche, so wird er nicht auf mich hören, denn schwer ist es, eines Mannes Sinn zu beugen. Ich spreche daher zuerst lieber mit der Frau, die leichteren Sinnes ist. Ich weiß, dass sie auf mich hören wird, denn die Frau schenkt jedem Gehör!» Nicht
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