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Die Beute

Die Beute

Titel: Die Beute
Autoren: Lisa J. Smith
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oder dass er gar nicht so böse war, wie er zu sein schien. Tom wusste es besser, aber welchen Sinn hatte es, ihr das zu sagen? Er hatte sie zusammen gesehen, hatte Julians Augen gesehen, wenn er sie anschaute. Er hatte die Art von Zauber gesehen, die Julian ausübte. Wenn Julian das nächste Mal zu Jenny kam, würde Tom verlieren.
    Also blieb ihm jetzt nichts anderes mehr übrig, als im Verborgenen zu lauern und sie zu beobachten. Beobachten, wie einzelne Strähnen ihres Haares um ihren Kopf wehten, wie zarte Getreidehalme, die wie Honig im Sonnenlicht schimmerten. Er sah die Farbe ihrer Augen vor sich, Dunkelgrün mit Gold versetzt. Alles an ihr war golden, selbst ihre Haut. Komisch, dass er sich nie die Mühe gemacht hatte, ihr das zu sagen. Vielleicht war es das, was Dettlinger gerade eben getan hatte. Es überraschte Tom nicht, dass der Footballstar gekommen war, um mit Jenny zu reden; es überraschte ihn lediglich, dass er so schnell wieder weggegangen war. Er wünschte, er hätte das Gespräch hören können.

    Aber es spielte keine Rolle. Es spielte keine Rolle, wie viele Jungen Jenny ansprachen. Tom regte sich nur über einen auf – und dieser eine sollte besser auf der Hut sein.
    Tom konnte sie nicht mehr haben, aber er konnte sie beschützen. Sobald Julian tatsächlich zurückkam – nicht falls; Tom war sich so gut wie sicher, dass er es tun würde –, sobald Julian zu Jenny zurückkam und erneut versuchte, ihre Unschuld auszunutzen, würde Tom da sein, um es zu verhindern. Er wusste noch nicht recht, wie, aber er würde es verhindern.
    Selbst wenn es ihn umbrachte.
    Und wenn Jenny ihn deswegen hasste, dann sollte es eben so sein. Eines Tages würde sie es ihm danken.
    Still und entschlossen folgte Tom dem kupferfarbenen und dem goldenen Kopf und schlich hinter den Mädchen her zur Turnhalle.
    Vielleicht war es Einbildung, aber er hatte das seltsame Gefühl, dass etwas anderes ebenfalls hinter ihnen herschlich.
     
    Sie fuhren mit zwei Autos zur Shopping-Mall, Jenny und Audrey in Audreys kleinem roten Alpha Spider und Dee und Michael in Michaels VW-Käfer. Jenny wappnete sich, als sie hineingingen.
    Doch ganz gleich, wie sehr sie sich auch wappnete, die linke Wand des Suchzentrums war immer noch ein Schock. Sie war übersät mit Bildern von Summer.
    Hunderten. Nicht nur Flyer und Poster. Summers Eltern
hatten ebenfalls Dutzende von Fotos hergebracht, um Summer aus verschiedenen Winkeln zu zeigen, oder vielleicht auch nur, um die Menschen daran zu erinnern, worum es bei diesem Einsatz bis an die Grenze wirklich ging. Irgendjemand hatte eins der Fotos zu einer monströsen Plakatwand vergrößert, sodass Summers flauschige blonde Locken sich anderthalb Meter in die Länge zogen und ihre glyzinienblauen Augen einen anstarrten wie die Augen Gottes.
    »Wo ist Tom?«, fragte eine der Freiwilligen Jenny. Sie war vom College und sprach ständig von Tom.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Jenny knapp. Diese Frage hatte sie selbst seit dem Mittagessen gequält.
    »Wenn ich du wäre, wüsste ich es. Was für ein Typ. Ich würde ihn ja im Auge behalten …« Jenny hörte einfach nicht mehr hin. Wie gewöhnlich wollte sie so schnell wie möglich wieder weg aus dem Zentrum. Es war ein warmer, ernster, geschäftiger Ort, voller Hoffnung und guter Laune – und er war eine Farce.
    Jenny war übel, als sie sich zu der großen Karte an der Wand umdrehte. Sie zeigte, welche Gebiete plakatiert worden waren und welche noch nicht. Jenny tat so, als studiere sie die Karte, obwohl sie bereits wusste, wohin sie gehen musste. Wenn das weinende Mädchen mit P.C. befreundet gewesen war, wohnte sie vielleicht in seiner Nähe.
    Sie nahm kaum wahr, dass die Tür des Zentrums geöffnet wurde und eine der Freiwilligen flüsterte: »Es ist
diese Hellseherin, die angerufen hat. Die aus Beverly Hills.«
    »He, schau dir die mal an?!«, rief Michael.
    Jenny drehte sich um und sah eine Frau mit wasserstoffblondem Haar und einer Vielzahl teuer aussehender goldener Ketten. Im selben Moment drehte die Hellseherin sich um, sah sie  – und schnappte nach Luft.
    Ihre Augen wurden riesengroß. Sie machte mehrere Schritte auf Jenny zu, bis ihr Parfüm von Giorgio Audreys Duft nach Chloé Narzisse völlig überflutete. Sie starrte Jenny ins Gesicht.
    »Du«, flüsterte sie, »hast sie gesehen. Die von der anderen Seite.«
    Jenny stand wie erstarrt da. Wie vom Blitz getroffen.
    »Ich habe eine Nachricht für dich«, fuhr die Hellseherin
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