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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2
Autoren: Émile Zola
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…« Dieser Szene entspricht im Artikel folgende Passage: »Ehemals, in der guten Zeit, habe ich Ihnen von diesen berühmten Schultern erzählt, den solidesten Stützen des Zweiten Kaiserreichs. Sie (die Marquise) zeigte sie bis zum Kreuz und bis zu den Spitzen der Brüste und bekehrte die größten Puritaner zu den Wundern des Regimes. Diese Schultern haben bei den Ministern und in den Botschaften den Beifall zu dem Krieg in Mexiko und den andern Torheiten Bonapartes errungen. Niemals hätte Herr Rouher dem zweiten Plebiszit zugestimmt, wenn ihn diese Schultern nicht seines Sieges versichert hätten.« Die Übereinstimmung ist unzweifelhaft, zumal ja Rouher auch das historische Wirklichkeitsvorbild Eugène Rougons ist.
    Man wird also Zolas Argument glauben müssen, daß er authentisches Material vor Augen hatte und auch verwendete.
    Dennoch, ein Roman ist kein Geschichtswerk, auch wenn Zola »ein Werk der Wissenschaft« schreiben will, und auch keine wissenschaftliche Abhandlung über politische Ökonomie. Nicht um die Authentizität der Fakten geht es, sondern um die Frage, wie Zola in diesem Roman seine offensichtlich mehrschichtige Thematik künstlerisch bewältigte.
    Von den Mittelpunktsfiguren vorbereitet war eigentlich nur Aristide. Im »Glück« ist er noch ein »Wirrkopf«, vor dem Eugène die Eltern warnen zu müssen glaubt: »Vor allem Vorsicht Aristide gegenüber! Er ist ein Wirrkopf, der alles verderben würde. Ich habe ihn genau beobachtet, um zu wissen, daß er immer auf die. Füße fallen wird. Kein Mitleid mit ihm; denn wenn wir unser Glück machen, wird er uns um seinen Anteil zu bestehlen wissen.« Eugène kennt seinen Bruder, Aristides Aufstieg in der »Beute« beweist es. Er fällt auch hier »immer wieder auf die Füße«. Die Passage, in der Saccards unermüdliche Aktivität, seine rastlose Quirligkeit beschrieben wird, schließt mit dem Satz: » … und dabei fällt er immer wieder siegreich auf die Füße …« Aber seine provenzalische Beweglichkeit paart sich mit ebensoviel skrupellosem Zynismus. Er sieht tatenlos der Erschießung seines Neffen Silvère zu, weil sie die Familie eines kompromittierenden republikanischen Mitglieds entledigt. Er beerdigt im Geist schon seine Frau Angele, noch ehe sie gestorben ist, weil er die Hände frei braucht für seinen Heiratscoup mit Renée. Rücksichtslos wie der metallene Klang der beiden Silben seines Namens Saccard ist sein Wesen. Damit hat Zola ausgeführt, was er sich in der Kurzcharakteristik Saccards bereits in den Stammbäumen vorgenommen hatte. Aristide ist dort der Sohn der Rougon, in dem sich »die Besitzgier des Vaters mit dem physischen Äußeren der Mutter verbindet. Er ist von einem grobschlächtigen Ehrgeiz besessen.« Und bereits in dem ersten Plan ist er ein »Spekulant ohne Skrupel, der unermeßlich reich wird«. Diese Figur war geeignet, die Finanzspekulationen des Zweiten Kaiserreichs zu verkörpern, in der physiologischen Sprache Zolas: »die Begierde nach Geld«.
    Doch die Finanzspekulationen des Kaiserreichs, die »Begierde nach Geld« sind nur die eine Seite von Zolas Gesamtanliegen, dem es um die Beschreibung des »kraftvollen Bildes der Entfesselung der Begierden geht und um die vorzeitige Erschöpfung einer Rasse, die zu schnell gelebt hat«. Zur Entfesselung der Begierden und zu ihrem Ausleben gehören die Rückwirkungen dieser sozialen Vorgänge des Zweiten Kaiserreichs auf Denken, Fühlen und Sitten der Menschen. Und dieses moralische Klima einer Epoche, tatsächlich die »Sittengeschichte« des Kaiserreichs, möchte Zola ja auch als Ganzes einfangen. Diese Aufgabe umreißen die immer wiederkehrenden Ausdrücke wie »verfaulte Gesellschaften«, »verfaulte Sitten«, »der Misthaufen des Kaiserreichs«, »der schreckliche Sumpf«, eine »erschöpfte Gesellschaft«. Zur »Begierde nach Geld und nach Gold« kommt die »Begierde nach Fleischeslust«. Als die »note de l’or et de la chair«, den »Ton des Goldes und der Fleischeslust«, bezeichnet Zola seine »Curée«. Auch wenn diese Formulierung etwas von der Aufdringlichkeit eines Reklameslogans an sich hat, sie trifft in ihrer Grellheit die tatsächlichen Zentralthemen dieses Romans. Zola variiert sie in den Vorarbeiten und in den Verteidigungseinschätzungen in vielfältigster Weise. Immer wieder verbucht er neue Bilder und Ausdrücke, die die abstrakte Themenformulierung sinnfällig ausfüllen: da erscheint auf dem Konto »Gold«: »die irrsinnige Spekulation«,
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