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Die Betäubung: Roman (German Edition)

Die Betäubung: Roman (German Edition)

Titel: Die Betäubung: Roman (German Edition)
Autoren: Anna Enquist
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dem Rettungsdienst beizutreten. Der Fahrstil im Rettungswagen macht ihr Angst, es geht so schnell, dass sie fürchtet, sie würde dabei den Überblick verlieren. Und im Hubschrauber möchte sie schon gar nicht sitzen, so ganz ohne Halt. Sie zuckt die Achseln.
    »Was ist, stört dich was?«, fragt Kees.
    »Ambulanz heute. Keine Lust.«
    »Dann komm doch vorher zu mir, ich habe eine mindestens fünfstündige OP am offenen Herzen. Bypass, neue Klappe, das volle Programm. Die Ambulanzpatienten kommen nicht so früh, die gehen zuerst zum Chirurgen.«
    »Und danach alle gleichzeitig zu mir. Um elf Uhr. Allesamt beunruhigt, und keiner hat die Erläuterungen verstanden. Da darf ich ihnen dann die ganze Operation noch einmal auf einem Zettel aufmalen. Und das in Windeseile, weil noch zehn andere draußen auf dem Flur sitzen.«
    »Man müsste das zusammen machen«, sagt Kees. »Hab ich schon oft gedacht. Eine präoperative Sprechstunde von Chirurg und Anästhesist gemeinsam. Gleich zwei Ärzte an einem Schreibtisch, das macht einen guten Eindruck. Und keiner von beiden könnte sich so ohne weiteres verdrücken. Da kann der Chirurg nicht mehr nach zwei Minuten aufstehen und ganz lapidar verkünden: ›Ich operiere Sie dann nächste Woche, auf Wiedersehen.‹ Du, ich muss los. Ich will den Chirurgen nicht warten lassen.« Er zwinkert ihr zu. »Harinxma. Den darf man nicht schon so früh am Morgen auf die Palme bringen.«
    »Frohes Schaffen«, murmelt Suzan. Sie erhebt sich langsam, um noch ein paar Worte mit Simone zu wechseln, die mit grauem Gesicht an der Tür steht.
    »Schöner Dienst«, sagt sie, »aber jetzt reicht’s. Ich gehe schlafen. Ein richtiger Schatz, dieser Jeroen. Wir haben alles zusammen gemacht, er hat ja gerade erst angefangen. Und es macht Spaß, alles zu erklären. Er fragt die verrücktesten Sachen, über die du selbst nie nachdenkst. Wer ist für den Blasenkatheter verantwortlich? Warum schreien sie in der Notaufnahme alle so? Wer hat dort eigentlich das Sagen? Richtig süß. Wollen wir nächste Woche mal zusammen essen?«
    Suzan nickt und tätschelt kurz den Arm der Freundin. Dann geht sie auf den Flur hinaus, in den Fahrstuhl, ins Freie.
    Die Ambulanzen befinden sich in einem separaten Gebäude, das vom Krankenhaus aus nur über eine Grünfläche zu erreichen ist. Suzan pflügt mit ihren schönen Stiefeln durch den Matsch. Die Ambulanz ist eine Vorhölle, ein Übungsraum, wo andere Gesetze gelten. Simone macht hier Forschung, wird darüber promovieren. Ein Buch schreiben. Artikel. Wer schreibt, ist wirklich existent. Hanna schrieb auch. Ihr Buch – über die Popularität der Wissenschaft um das Jahr 1780 – liegt zu Hause neben Suzans Bett. Ein tolles Buch, mit flüssig geschriebenen Schilderungen von Klubs aus Hobbywissenschaftlern, Menschen des achtzehnten Jahrhunderts, die im Verein mit Chemikalien und Elektrizität zu experimentieren begannen. Man hört Hanna reden, wenn man das liest. Drik hat auch einiges über sein Fachgebiet publiziert. Nicht, dass sie die Bücher alle gelesen hätte, aber sie stehen im Regal. Es gibt sie.
    Für ihre präoperativen Befragungen dürfen die Anästhesisten ein kleines Zimmer im Erdgeschoss benutzen, das sich neben den Behandlungsräumen der Schmerzambulanz befindet. Dort steht eine Tür offen. Suzan schaut hinein.
    »Berend!«
    »Suus, nett, dass du vorbeischaust, komm rein.«
    Sie nimmt Berends Zimmer in sich auf. Zeitschriften- und Bücherstapel, eine Kaffeemaschine oben auf einem Aktenschrank, an der Wand, zwischen Fotos von Segelbooten, eine prachtvolle anatomische Zeichnung vom Nervensystem des Menschen. Das Fenster ist mit Zimmerpflanzen zugewuchert.
    Berend, ein großer, hagerer Mann um die fünfzig, sieht ihren Blick.
    »Wenn ich mit den Nadeln arbeite, gehe ich in ein anderes Kabuff, wo es sauberer ist. Möchtest du Kaffee, ich habe eine neue Maschine?«
    »Ich hole noch kurz meinen Plan.«
    Die Sekretärin am Empfangstisch vom Warteraum hat eine Namensliste für Suzan.
    »Sie können sie im Computer aufrufen, der Chirurg müsste seine Planungen schon eingegeben haben. Ihr erster Patient ist bereits da.«
    Auf einer der Bänke sitzt eine dicke Frau, eine Tasche neben sich, einen Stock zwischen den Knien.
    »Ich habe noch kurz zu tun«, sagt Suzan. »Ich rufe die Dame dann gleich herein.« Sie nickt in Richtung der Frau, die verwundert zurückschaut.
    Bei Berend duftet es nach frischem Kaffee. Sie bleibt an der Tür stehen. Berend zieht fragend die
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