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Die Betäubung: Roman (German Edition)

Die Betäubung: Roman (German Edition)

Titel: Die Betäubung: Roman (German Edition)
Autoren: Anna Enquist
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zugrunde gehen würde. Luc war sehr emotional.«
    Suzan hat den Seebarsch jetzt vollständig zerlegt. Gerade aufgerichtet, die Hände im Schoß, sitzt sie hinter dem Kadaver. Simone sieht sie an.
    »Wie geht es dir denn? Hast du etwas von Peter gehört?«
    »Tansania«, sagt Suzan. »Er wird dort ein Jahr lang im Krankenhaus arbeiten. Ein Projekt der psychiatrischen Klinik. Er ist schon oft dort gewesen, immer für eine Woche oder so, um Kurse zu geben. Jetzt wird er alles neu organisieren und Therapeuten schulen. Er mailt ab und zu, rein geschäftlich. Er und Drik und Roos sind wütend auf mich. Auf Drik ist er auch stinksauer. Das braucht seine Zeit, denke ich.«
    »Und Roos?«
    Suzan seufzt.
    »Sie will keinen Kontakt. Ich habe sie zu sehr verletzt.«
    »Aber du wusstest doch gar nicht, dass sie etwas mit Allard hatte!«
    »Ich hätte es wissen können. Wissen müssen. Wenn ich aufmerksam gewesen wäre. Wenn ich mich getraut hätte, mit ihr zu reden. Wenn ich eine bessere Mutter gewesen wäre.«
    »Jetzt hör doch mal mit diesen Selbstvorwürfen auf! Und iss! Weiß Peter, wie es Roos geht?«
    »Sie telefonieren jede Woche miteinander. Worüber sie reden, hat er mir nicht verraten. Nur, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauche. Er ist so ein lieber Mensch. Schlimm, dass ich ihn verjagt habe. Der Fisch ist kalt, ich mag ihn nicht mehr.«
    Suzan kommt plötzlich eine Erinnerung an ihre Tochter, wie sie vor Wut aufstampfend im Flur stand, als sie sie zum letzten Mal gesehen hat. Hat Roos den Medizinschrank geplündert, hat sie Allard hinterrücks mit dem geklauten Nembutal vergiftet? Und unter dem Tabletteneinfluss hat er sich dann versehentlich eine Überdosis gespritzt. Wäre möglich. Peter kann es auch getan haben, der wusste, wo das Döschen stand. Ist er ins Badezimmer gegangen, um seine Zahnbürste zu holen, bevor sie aus dem Haus geflüchtet sind? Ich weiß es nicht mehr. Es ist auch egal. Ich muss durchhalten. Abwarten.
    »Ich habe Rudolf Kronenburg getroffen«, sagt Simone. »In einem schicken Blumenladen. Ich hatte mich zwischen den Levkojen versteckt, aber er sprach mich an.«
    Dieser Arsch hat mich verraten, denkt Suzan. Wenn er den Mund gehalten hätte, wäre nichts passiert. Warum bin ich nicht wütend auf diesen Mann? Dass Vereycken ihn entlassen hat, tat mir sogar noch leid.
    »Der wird wohl nirgendwo mehr unterkommen«, sagt sie. »Hat er noch was erzählt?«
    »Er hat eine Stelle!«, sagt Simone lachend. »In einer Privatklinik, so ´ner Botoxspritzerei, weißt du. Sie machen Brustvergrößerungen, Schamlippenkorrekturen und Fettabsaugungen, er hat das ziemlich plastisch beschrieben. Eimer voll Glibber und Blut. Die Rezeptionistin bindet sich eine Schürze um und reicht kurz die Schläuche an, eine so effiziente Chirurgie habe er noch nie erlebt, sagte er. Keine präoperativen Beratungen, keine Besserungsvorschriften, dafür massenhaft Geld im Portemonnaie. So ein Armleuchter!«
    Ich sitze hier mit meiner Freundin, denkt Suzan. Wo könnte ich mich sicherer fühlen? Sie macht mir keine Vorhaltungen, sie bleibt mir treu, egal was ich anstelle. Trotzdem bin ich gespannt wie eine Feder, jeder Muskel ist geballt. Worauf warte ich bloß?
    »Komm, wir gehen«, sagt Simone. »Morgen wieder um halb acht auf dem Posten. Wir müssen schlafen.«
    Ich warte auf Drik, denkt Suzan. Ich warte auf meinen Bruder.
    Der Waldweg kreuzt den überschwemmten Graben, der Driks Grundstücksgrenze markiert. Jetzt geht es unter Nadelbäumen weiter. Jeden Tag ein Stück laufen, denkt Drik, dann mit Hammer und Pfählen ans Werk, danach erst der Whisky. Gestern hat er mit dem Einzäunen begonnen und drei Pfähle in den Boden gerammt. Sie haben nicht die gleiche Höhe, und einer steht schief. Übungssache, denkt er. Das wird schon. Er hat Muskelkater in den Schultern vom Hammerschwingen und Pfähletragen. Macht nichts, das gehört zum Landleben dazu.
    Der Weg steigt an und führt über ein Stück Heide mit da und dort einer Gruppe Wacholderbüsche. Das Handy in Driks Innentasche gibt zwei kurze Klingeltöne von sich.
    »Sie haben eine Mitteilung«, liest er. Der Empfang ist hier so schlecht, dass Anrufe ihn nur sporadisch erreichen, meist, wenn er irgendwo auf einer Anhöhe steht. Er ist vom Festnetzanschluss im Haus abhängig, dem schweren Bakelitungetüm mit Wählscheibe, das an der Küchenwand montiert ist. Jetzt wählt er die Mailbox an und hört Leidas Stimme.
    »Wieso nimmst du nicht ab? Wenn ich nichts Gegenteiliges von
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