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Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2

Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2

Titel: Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
Autoren: Veronica Roth
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vorher als Verräterin hinrichten – oder was auch immer unsere neuen Anführer mit mir vorhaben. Stattdessen bemühe ich mich mit allen Kräften, an gar nichts zu denken und so zu tun, als wäre dieser Raum alles, was je existiert hat und je existieren wird. Das klingt schwierig, ist es aber gar nicht. Ich habe gelernt, wie man die Trauer von sich fernhält.
    Nach einer Weile kommen Tori und Harrison in die Eingangshalle. Tori humpelt auf einen Stuhl zu– ich hatte ihre Schusswunde schon fast vergessen; sie war so schnell, als sie Jeanine getötet hat– und Harrison gesellt sich zu ihr.
    Hinter den beiden kommt ein Ferox, der Jeanines Leiche geschultert hat. Er lässt sie wie einen Stein auf einen Tisch plumpsen, der vor der ersten Reihe Ken und den Ferox-Verrätern steht.
    Um mich herum höre ich die Leute murmeln, manche halten die Luft an, aber niemand weint. Jeanine ist keine Anführerin gewesen, wegen der sich die Menschen die Augen ausweinen.
    Ich betrachte ihren Körper; im Tod erscheint sie noch kleiner als im Leben. Sie ist nur ein paar Zentimeter größer als ich, ihr Haar ist nur eine Spur dunkler als meines. Sie wirkt jetzt ruhig, beinahe friedlich. Es fällt mir schwer, den leblosen Körper jener Frau zuzuordnen, die ich kannte, der Frau ohne Gewissen.
    Und trotzdem war sie komplexer, als ich dachte. Getrieben von einem etwas verqueren Beschützerinstinkt bewahrte sie ein Geheimnis, das ihr zu schrecklich erschien, um es offenbaren zu können.
    Johanna Reyes kommt in die Eingangshalle, sie ist vom Regen bis auf die Haut durchnässt, und an ihren roten Kleidern klebt ein noch dunkleres Rot. Die Fraktionslosen haben sie in ihre Mitte genommen, aber sie scheint weder sie noch ihre Waffen wahrzunehmen.
    » Hallo«, begrüßt sie Harrison und Tori. » Was wollt ihr von mir?«
    » Ich wusste gar nicht, dass die Anführerin der Amite so schroff sein kann«, erwidert Tori mit einem ironischen Lächeln. » Verstößt das nicht gegen euer Manifest?«
    » Wenn du mit den Gepflogenheiten der Amite vertraut wärst, wüsstest du, dass wir keinen offiziellen Anführer haben«, erwidert Johanna, und ihre Stimme ist freundlich und bestimmt zugleich. » Aber ich bin nicht mehr die Abgesandte der Amite. Ich bin zurückgetreten, damit ich hierher kommen konnte.«
    » Ja, ich habe gesehen, wie du und deine kleine Bande von Friedensstiftern allen im Wege gestanden habt«, sagt Tori.
    » Das war Absicht«, erwidert Johanna. » Denn wenn man im Weg steht, dann steht man zwischen Gewehren und Unschuldigen und rettet dabei viele Menschenleben.«
    Ihre Wangen röten sich, und ich denke wieder, dass Johanna Reyes eigentlich eine hübsche Frau sein könnte. Nur dass ich jetzt glaube, dass sie nicht trotz ihrer Narbe, sondern sogar wegen ihrer Narbe hübsch ist, wie Lynn mit ihren Stoppelhaaren, wie Tobias mit seinen Erinnerungen an die Grausamkeiten seines Vaters, die er wie einen Panzer trägt, wie meine Mutter in ihrer schlichten grauen Kleidung.
    » Da du ja immer noch so überaus edelmütig bist«, sagt Tori, » frage ich mich, ob du den Amite vielleicht eine Botschaft überbringen kannst.«
    » Ich möchte euch und eure Armee ungern verlassen, nur damit ihr ungeniert eure Art der Gerechtigkeit ausüben könnt«, sagt Johanna, » aber ich werde gerne jemanden mit einer Botschaft zu den Amite schicken.«
    » Gut«, sagt Tori. » Sag ihnen, dass bald ein neues politisches System errichtet werden wird, in dem sie nicht mehr vertreten sein werden. Dies ist in unseren Augen die gerechte Strafe, weil sie in diesem Konflikt nicht Stellung bezogen haben. Natürlich sind sie weiterhin verpflichtet, Lebensmittel für die Stadt herzustellen und zu liefern, aber sie werden unter der Aufsicht einer der führenden Fraktionen stehen.«
    Einen Augenblick lang denke ich, dass Johanna sich gleich auf Tori stürzen und sie würgen wird. Aber sie stellt sich noch aufrechter hin. » Ist das alles?«
    » Ja.«
    » Schön«, sagt sie. » Ich werde mich jetzt sinnvoller beschäftigen. Ich nehme nicht an, dass ihr einigen von uns erlauben werdet, hierher zu kommen und sich um die Verwundeten zu kümmern?«
    Tori blickt sie abschätzig an.
    » Das habe ich mir gedacht«, sagt Johanna. » Aber denkt daran, dass die Menschen, die ihr unterdrückt, manchmal mächtiger werden, als euch lieb ist.«
    Sie dreht sich um und geht hinaus.
    Irgendetwas an ihren Worten macht mich stutzig. Ich bin sicher, dass sie als hilflose Drohung gemeint waren, aber sie
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