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Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2

Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2

Titel: Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
Autoren: Veronica Roth
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Gewehrläufe der Fraktionslosen hindern mich am Weiterlaufen. Ich hebe die Hände, gehe keinen Schritt weiter und sehe einfach nur zu.
    Uriah rennt an der zusammengetriebenen Schar von Kriegsverbrechern vorbei und deutet auf eine ernst blickende grauhaarige Ken. » Du. Komm her.«
    Die Frau steht auf und streicht sich die Hose glatt. Mit leichtfüßigen Schritten geht sie zwischen den am Boden sitzenden Leute hindurch und sieht Uriah fragend an.
    » Du bist doch eine Ärztin, oder?«, fragt er.
    » Das bin ich, ja«, antwortet sie.
    » Dann kümmere dich um sie!« Er blickt sie finster an. » Sie ist verletzt.«
    Die Ärztin tritt zu Lynn und bittet die beiden Ferox, sie abzusetzen. Dann beugt sie sich über die Liege.
    » Meine Liebe«, sagt sie. » Bitte nimm deine Hände von der Wunde.«
    » Ich kann nicht«, stöhnt Lynn. » Es tut so weh.«
    » Ich weiß, dass es wehtut« sagt die Ärztin. » Aber ich muss einen Blick auf deine Verletzung werfen, um zu sehen, wie schwer sie ist, und das kann ich nicht, wenn du sie mir nicht zeigst.«
    Uriah kniet sich der Ärztin gegenüber neben die Trage und hilft ihr, Lynns Hand von ihrem Bauch zu heben. Die Ärztin zieht Lynns T-Shirt vorsichtig von der Wunde. Die Schusswunde selbst ist nur ein rundes, rotes Loch in Lynns Haut, aber um die Einschussstelle herum hat sich eine Art Bluterguss gebildet. Ich habe noch nie einen so dunklen Bluterguss gesehen.
    Die Ärztin beißt sich auf die Lippe, und mir wird klar, dass Lynn so gut wie tot ist.
    » Mach was!«, befiehlt Uriah. » Du kannst ihr helfen, also tu es!«
    » Das Gegenteil ist der Fall«, antwortet die Ärztin und blickt zu ihm auf. » Ihr habt den Krankentrakt in Brand gesteckt, sodass ich sie beim besten Willen nicht behandeln kann.«
    » Na und, es gibt doch noch andere Krankenhäuser!«, sagt er. Er brüllt jetzt beinahe. » Du kannst dir von dort holen, was du brauchst, und sie dann behandeln!«
    » Ihre Lage ist viel zu ernst«, sagt die Ärztin ruhig. » Wenn ihr nicht alles niedergebrannt hättet, was euch in den Weg gekommen war, dann hätte ich vielleicht eine Chance gehabt. Aber so ist es aussichtslos.«
    » Halt den Mund«, blafft er sie an und deutet mit seinem Zeigefinger auf die Brust der Ärztin. » Ich war es nicht, der euer Krankenhaus abgebrannt hat! Sie ist meine Freundin und ich… ich möchte doch nur…«
    » Uri«, sagt Lynn. » Halt die Klappe. Es ist zu spät.«
    Uriah lässt seine Arme sinken und greift nach Lynns Hand. Seine Lippen beben.
    » Sie ist eine Freundin von mir«, sage ich zu den Fraktionslosen, die weiterhin ihre Waffen auf mich gerichtet haben. » Könnt ihr nicht auch da drüben mit euren Gewehren auf mich zielen?«
    Sie lassen mich durch, und ich renne zu Lynn, knie mich neben sie und halte ihre freie, blutverschmierte Hand. Ich achte nicht auf die Pistolenläufe, die auf meinen Kopf gerichtet sind, sondern konzentriere mich ganz auf Lynns Gesicht, das jetzt nicht mehr weiß, sondern schon gelblich ist.
    Sie scheint mich nicht wahrzunehmen, ihre ganze Aufmerksamkeit gilt Uriah.
    » Ich bin froh, dass ich nicht unter der Simulation gestorben bin«, sagt sie matt.
    » Du wirst auch jetzt nicht sterben«, antwortet er.
    » Stell dich nicht so dumm«, sagt sie. » Hör zu, Uri. Ich habe sie auch geliebt. Wirklich.«
    » Wen hast du geliebt«, fragt er mit erstickter Stimme.
    » Marlene«, antwortet Lynn.
    » Ja, es gab niemanden von uns, der sie nicht geliebt hätte«, sagt er.
    » Nein, so meine ich es nicht.« Sie schüttelt den Kopf. Dann schließt sie die Augen.
    Es verstreichen noch einige Minuten, bis ihre Finger in meiner Hand erschlaffen. Ich lasse ihre Hand los und lege sie ihr auf den Bauch, dann löse ich ihre andere Hand aus Uriahs Umklammerung und lege sie daneben. Er wischt sich über die Augen, ehe ihm die Tränen über die Wangen rinnen können. Über Lynn hinweg treffen sich unsere Blicke.
    » Du solltest es Shauna sagen«, sage ich. » Und Hector.«
    » Ja.« Er schnieft und berührt Lynns Gesicht mit der Handfläche. Ich frage mich, ob ihre Wangen noch warm sind. Ich möchte sie nicht berühren. Ich will nicht spüren müssen, dass sie kalt sind. Ich stehe auf und gehe zurück zu Christina.

47. Kapitel
    Meine Gedanken kehren immer wieder zu L ynn zurück, so als müsste ich mich davon überzeugen, dass sie wirklich nicht mehr lebt. Aber sobald eine Erinnerung aufblitzt, verdränge ich sie. Eines Tages werde ich das nicht mehr tun müssen, falls sie mich nicht
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