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Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Titel: Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung
Autoren: Veronica Roth
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Sekunden beginnen sich die Ferox zu bewegen. Sie drehen den Kopf von rechts nach links, dann lassen sie ihre Waffen fallen. Ihre Münder bewegen sich, sie scheinen zu schreien, sie schubsen sich gegenseitig, einige von ihnen fallen auf die Knie, nehmen den Kopf zwischen die Hände und schaukeln vor und zurück, vor und zurück.
    Der Druck auf meiner Brust weicht und die Anspannung fällt von mir ab. Mit einem Seufzer sinke ich auf den Stuhl.
    Tobias bückt sich neben den Computer und montiert die Seitenwand ab.
    » Ich muss an die Daten ran oder die Simulation startet von Neuem.«
    Auf den Bildschirmen beobachte ich die Hektik, die überall ausbricht. Wie es wohl draußen auf den Straßen aussieht? Ich lasse den Blick über die Monitore schweifen, auf der Suche nach dem, der das Viertel der Altruan zeigt. Ganz unten in der Ecke ist er; dort sind Ferox zu sehen, die aufeinander schießen, die miteinander ringen, die laut schreien– es ist das reine Chaos. Schwarz gekleidete Männer und Frauen stürzen zu Boden, andere rennen in alle Richtungen davon.
    » Ich hab’s.« Tobias hält die Festplatte des Computers in die Höhe. Es ist ein kleines Metallkästchen, so groß wie eine Handfläche. Er gibt es mir und ich stecke es in meine hintere Hosentasche.
    » Wir müssen weg.« Ich deute auf den rechten Bildschirm und stehe auf.
    » Ja, das müssen wir.« Er legt mir den Arm um die Schulter. » Komm.«
    Zusammen verlassen wir den Raum. Draußen muss ich sofort wieder an meinen Vater denken. Ich will es nicht, aber ich schaue trotzdem zu der Stelle, wo er liegt.
    Er liegt nicht weit weg vom Fahrstuhl auf dem Boden. Mir entfährt ein Entsetzensschrei, ich kann ihn einfach nicht unterdrücken. Ich drehe mich weg, ich schmecke Galle, und dann kotze ich an die Wand.
    Etwas in mir geht in die Brüche. Ich kauere mich neben die Leichen und atme durch den Mund, damit ich das Blut nicht rieche. Ich presse die Hand auf die Lippen, damit ich nicht schluchze. Noch fünf Sekunden. Fünf Sekunden Schwäche, dann stehe ich auf. Eins. Zwei. Drei. Vier.
    Fünf.
    Ich nehme kaum wahr, was um mich herum vor sich geht. Da ist ein Fahrstuhl, ein Raum mit gläsernen Wänden, ein kalter Luftzug, schreiende, schwarz gekleidete Ferox. Ich schaue mich nach Caleb um, aber ich finde ihn nirgends, erst als wir hinaus ins Sonnenlicht treten, sehe ich ihn.
    Er läuft auf mich zu und ich taumle ihm entgegen. Er drückt mich fest an sich.
    » Dad?«, fragt er.
    Ich schüttle den Kopf.
    » Er…«, presst er hervor, » er hätte es nicht anders gewollt.«
    Über Calebs Schulter hinweg sehe ich Tobias. Er hält abrupt inne, als er Marcus bemerkt. Wir waren so damit beschäftigt, die Simulation zu zerstören, dass ich ganz vergessen habe, ihn zu warnen. Marcus geht auf Tobias zu und nimmt ihn in die Arme. Tobias wird stocksteif. Statt die Begrüßung zu erwidern, lässt er die Arme schlaff herabhängen. Seine Miene ist ausdruckslos, aber ich sehe, wie sein Adamsapfel auf und ab hüpft und wie sein Blick starr geradeaus geht.
    » Sohn«, seufzt Marcus.
    Tobias zuckt bei dem Wort zusammen.
    » Hey!« Ich mache mich von Caleb los. Ich weiß noch genau, wie weh der Gürtelhieb getan hat. Entschlossen stelle ich mich zwischen die beiden und schubse Marcus zurück. » Hey. Lass ihn in Ruhe.«
    Ich fühle Tobias’ Atem in meinem Nacken, er geht heftig und stoßweise.
    » Halte dich von ihm fern«, zische ich.
    » Beatrice, was tust du da?«, fragt Caleb.
    » Tris«, sagt Tobias.
    Marcus wirft mir einen empörten Blick zu, der unecht wirkt– seine Augen sind zu weit aufgerissen, sein Mund steht zu weit offen. Wenn ich wüsste, wie ich ihm diesen Blick aus dem Gesicht prügeln könnte, ich würde es tun.
    » Nicht alles in den Berichten der Ken war gelogen«, sage ich scharf.
    » Wovon redest du?«, fragt Marcus ruhig. » Ich weiß nicht, was man dir erzählt hat, Beatrice, aber…«
    » Ich habe dich nur deshalb noch nicht erschossen, weil er derjenige ist, dem es zusteht«, unterbreche ich ihn. » Halte dich von ihm fern, oder ich überlege es mir anders.«
    Tobias hält meine Arme fest und drückt sie. Sekundenlang hält Marcus meinem Blick stand, und ich kann mir nicht helfen, für mich sind seine Augen schwarze Höhlen, so wie in Tobias’ Angstlandschaft. Dann blickt er weg.
    » Wir müssen gehen…« Tobias’ Stimme ist unsicher. » Der Zug wird jeden Augenblick kommen.«
    Wir laufen über ausgedorrten Boden bis zu den Eisenbahnschienen. Tobias hat die
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